Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

— 542 — 
werde & 10 des Gesetzes vom 30. Dez. 1871 durch $ 12 des 
Freizügigkeitsgesetzes, welches erst nach dem Gesetz vom 30. Dez. 
1871 in Elsass-Lothringen eingeführt worden sei, modifizirt®. 
Der Abgeordnete von PUTTKAMER-FRAUSTADT erklärte in 
der Reichstagssitzung vom 17. Mai 1873 ebenfalls, dass die for- 
melle Rechtsgültigkeit der von dem ÖOberpräsidenten verfügten 
Ausweisungen zweifelhaft sein könne und dass er für seine Person 
die rechtlichen Bedenken des Abgeordneten WINDTHORST theile°. 
8 Reichstagssitzung vom 16. Mai 1873 (Sten. Ber. S. 680): „Wenn man 
annehmen wollte, dass unter den nach seiner Bestimmung zulässigen allen 
Massregeln jede, selbst sonst ungesetzliche Massregel zu verstehen sei, dann 
könnte man auch behaupten, der Oberpräsident sei danach auch berechtigt, 
Prügelstrafe zu erkennen, die Guillotine auffahren zu lassen. Es können 
aber unter jenem Ausdruck nur gesetzliche Massregeln gemeint sein. Eine 
gesetzliche Massregel ist die Ausweisung ausser Landes überhaupt nicht und 
selbst, wenn bei dem Erlass der betr. Verordnung es eine gesetzlich zulässige 
Massregel gewesen wäre, würde dieselbe nach der Einführung des $ 12 des 
Freizügigkeitsgesetzes wieder beseitigt sein“ (vgl. ferner Sten. Ber. S. 690 ff.). 
® Reichstagsverhandlungen vom 17. Mai 1873 (Sten. Ber. S. 697): „Ich 
will die formelle Rechtfertigung dieser Ausweisungen nicht ohne Weiteres 
übernehmen. Ich glaube nur verpflichtet zu sein, darauf aufmerksam zu 
machen, dass das betr. Gesetz keineswegs so horrende ist, wie derselbe es 
geflissentlich hingestellt hat, gewissermassen als sei damit dem Oberpräsi- 
denten von Elsass-Lothringen die Befugniss gegeben, die Guillotine aufzu- 
stellen und die Leute nach Belieben köpfen zu lassen, wenn er es im Inter- 
esse der öffentlichen Sicherheit für erforderlich erachtet. Davon ist gar keine 
Rede. Es handelt sich gar nicht darum, dass die Anwendung solcher Straf- 
arten oder Strafmittel, die an und für sich den Verwaltungsbehörden über- 
haupt nicht zustehen, durch dieses Gesetz dem Oberpräsidenten habe einge- 
räumt werden sollen. Dass dagegen die polizeiliche Ausweisung in gewissem 
Umfange Rechtens ist, das wird der Herr Abgeordnete WInDTHoRST nicht 
bestreiten wollen; sie ist zulässig ganz allgemein den Ausländern gegenüber; 
sie ist es aber nach dem hier massgebenden französischen Gesetze über den 
Belagerungszustand unter Beschränkungen auch den Inländern gegenüber ... 
Die ganze Frage ist also die: ist die Befugniss, die das französische Gesetz 
den Behörden giebt, durch den $ 10 in der Art ausgedehnt worden, dass 
man aus den in Belagerungszustand erklärten Gebieten auch den dort wohn- 
haften und sesshaften Mann ausweisen kann — keineswegs aus den Grenzen 
Deutschlands, davon ist gar keine Rede, sondern aus den Grenzen der Reichs-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.