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dass es irgendwie auf Beachtung oder Anwendung durch die
Staatsbeamten Anspruch zu machen hat. Nichtpositives Recht
kann von Jedermann produzirt werden. Jedermann kann ein
Rechtssystem ausarbeiten oder einzelne Rechtssätze aufstellen,
wenn es ihm Vergnügen macht. Die Art der Production ist
ganz die gleiche, wie bei der Schaffung staatlichen Rechts. Der
Ausgang ist ein psychischer, die Production eine geistige Arbeit,
wobei verschiedene Seelenkräfte, Intellect, Gefühle, praktische Er-
fahrung u. s. w. mitspielen. Die private Rechtsproduction ist
übrigens nicht immer als Spielerei aufzufassen. Wie oft werden
Rechtsideen und Rechtsvorschläge bedeutender Männer früher
oder später in Gesetzen aufgenommen. Diese freie Arbeit der
Rechtsbildung wird von Vielen geleistet, die sich um das Interesse
des Staates, des wirthschaftlichen und socialen Lebens bekümmern.
Diese rechtsbildende Macht darf nicht unterschätzt werden, sie
ist auch würdig, dass die Wissenschaft sich danach umschaut,
auftauchende Ideen prüft und vertieft. Gerade das wirthschaft-
liche und sociale Leben der Gegenwart bringt eine Fülle von
Rechtsideen, die der Jurist, wenn er seine Aufgabe richtig erfasst,
nicht einfach bei Seite schieben darf '*.
!# Die Forderung der Positivisten, dass sich die Rechtswissenschaft
nur mit dem positiven Rechte befassen dürfe, hat in neuerer Zeit, mehrfach
Widerspruch erfahren, so von KoHLER, Juristisches Litteraturblatt 1895,
S. 198.