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Ziff. 2 des Gesetzes vom 9. Aug. 1849 unzulässig ist, da die
gesetzliche Grundlage für dieselbe fehlt.
Leonı hat in seinem Werke: „Das Staatsrecht der Reichs-
lande Elsass-Lothringen“ die Ansicht entwickelt, der Statthalter
könne auf Grund des Diktaturparagraphen alle in der Staats-
gewalt liegenden Befugnisse, welche zur Abwendung der
Gefahr dienlich sind, ausüben. Nur eine Beschränkung folge
daraus, dass das bevollmächtigende Gesetz ein Landesgesetz sei;
der Statthalter könne nichts anordnen, was der Reichsgesetz-
gebung zuwiderlaufe!, Da nun Leonı die vor Geltung der
Reichsverfassung durch Landesgesetz in Elsass-Lothringen ein-
geführten Reichsgesetze für Reichsgesetze erklärt !*, so muss auch
das durch Landesgesetz vom 8. Jan. 1873 in Elsass-Lothringen
eingeführte Reichsgesetz über die Freizügigkeit vom 1. Nov. 1867
ein Reichsgesetz sein und eine Schranke für die ausserordent-
lichen Gewalten des Statthalters bilden. Die erwähnte Ansicht
von LEONI führt also zu der Konsequenz, dass die Ausweisung
von Inländern aus Elsass-Lothringen ungesetzlich ist.
Endlich hat auch LABAnD in seinem „Staatsrecht des Deut-
schen Reichs“ die Ausweisung eines Reichsangehörigen aus dem
Reichsgebiet auf Grund des $ 10 des Gesetzes vom 30. Dez. 1871
ausdrücklich für unstatthaft erklärt!®.
Während die Ausweisung von Reichsangehörigen auf den
ersten Satz des Diktaturparagraphen gestützt wurde („alle Mass-
regeln“), ist die Unterdrückung politischer Zeitungen auf das im
zweiten Satz des Diktaturparagraphen erwähnte Gesetz vom
9. Aug. 1849 und zwar auf Art. 9 Ziff. 4 dieses Gesetzes ge-
gründet worden. Die formelle Rechtsgültigkeit der von dem
13 MARQUARDSEN’s Handbuch des öffentlichen Rechts. Bd. II, erster
Halbband, S. 241. 1883.
1* Leonı in Marquardsen’s Handbuch a. a. O. S. 268,
15 LapanD: „Das Staatsrecht des deutschen Reichs* (dritte Auflage),
S. 137.