Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

— 5l — 
werfe; in keinem anderen civilisirten Staate sei auch nur an- 
nähernd eine solche Gesetzesbestimmung zu finden??®. In der- 
selben Reichstagssitzung bemerkte der Abgeordnete BEBEL: 
„Missbrauch der Diktatur ist eine contradictio in adjecto; Diktatur 
bedeutet absolute Willkür — ich wiederhole es: Diktatur be- 
deutet, zu thun, was man im Öffentlichen Interesse für geeignet 
und nothwendig hält. Und das ist ein so ausserordentlich dehn- 
barer und weitgehender Begriff, dass man Alles, was man im 
politischen, im öffentlichen Leben eines Volkes für möglich halten 
kann, darunter zu fassen vermag. Selbst das Gesetz ist in diesem 
Falle keine Schutzwehr für die Staatsangehörigen, man kann 
auch über das Gesetz hinausgehen, man hat dazu die 
Vollmacht. An die bestehenden Landesgesetze ist man nicht 
gebunden, braucht sich nicht daran zu kehren“ ®®, 
Auch am Regierungstische sind wiederholt Aeusserungen 
gefallen, die sich im Sinne der Theorie von der schrankenlosen 
(sewalt des Oberpräsidenten deuten lassen. 
In der Reichstagssitzung vom 20. Febr. 1874 hat Fürst 
BisMArcK bei einem Streite, ob der Diktaturparagraph durch 
das Postgesetz vom 28. Okt. 1871 eingeschränkt werde, die Be- 
hauptung aufgestellt, dass $ 10 des Gesetzes vom 30. Dez. 1871 
als Ausnahmegesetz auf alle Fälle dem Postgesetz vorgehe, selbst 
wenn letzteres später in Elsass-Lothringen eingeführt wäre, ebenso 
wie der Belagerungszustand allen Gesetzen, die der Handhabung 
der öffentlichen Gewalt schädlich sein könnten, durchschlagend 
derogire; in Elsass-Lothringen aber existire ein Theil der Be- 
lagerungszustands-Einrichtung gesetzlich und dauernd *®. 
In der Reichstagssitzung vom 30. Jan. 1895 hat der Staats- 
sekretär VON PUTTKAMER erklärt, die von der Regierung auf 
Grund des Diktaturparagraphen getroffenen Massregeln seien als 
22 Reichstagsverhandlungen vom 31. Jan. 1895 (Sten. Ber. S. 618). 
23 Reichstagsverhandlungen vom 31. Jan. 1895 (Sten. Ber. S. 635). 
24 Reichstagsverhandlungen vom 20. Febr. 1874 (Sten. Ben. S. 160—161).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.