Strafrechtliche und strafprozessualische Reformen
in England.
Mitgeteilt
von
Dr. ©. H. P. InhüLsen, London.
Man könnte daran zweifeln, ob der Weiterentwickelung des
englischen Strafrechts eine eigentliche praktische Bedeutung für
Deutschland zugesprochen werden darf. Sieht man von Aus-
lieferungssachen und von denjenigen Fällen ab, in welchen in
England begangene Delikte im Deutschen Reiche zur Aburteilung
gelangen, so verbleibt keine besonders umfangreiche, deutsch-
englische Strafrechtspraxis. Wie auf dem Kontinent überhaupt,
so ist man auch in Deutschland allerdings sehr leicht geneigt,
anzunehmen, dass ein Thatbestand vorliegt, welcher eine Straf-
verfolgung in England rechtfertigt. Indessen erfahrungsgemäss
ist diese Annahme in sehr vielen Fällen eine durchaus irrige und
insofern höchst gefährlich, als man im Deutschen Reiche häufig
kein Bedenken trägt, diese Annahme in einer Weise zu äussern,
welche nach englischem Recht einen substantiellen Schadensersatz-
anspruch wegen Beleidigung entstehen lässt. Liegt einmal wirk-
lich ein Fall vor, in welchem eine Strafverfolgung in England
Aussicht auf Erfolg hat, so pflegen die Eigentümlichkeiten des
englischen Strafprozesses den Eifer des Verletzten sehr bald zu
dämpfen. In den allerseltensten Fällen gelingt es, den öffent-