Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Die Zuständigkeit des Kaisers, des Bundesraths, des Reichs- 
tags, des Landes-Ausschusses, des preussischen Kriegsministers, 
der kommandirenden Generäle und Festungskommandanten zur 
Vornahme der oben aufgezählten Massregeln ist also ebenfalls 
durch Gesetz begründet. Dem Gesetze, welches die Macht- 
befugnisse des Statthalters geschaffen hat, stehen also andere 
Gesetze gegenüber, welche anderen Behörden ebenfalls Macht- 
befugnisse verleihen. Die Frage, ob 8 10 des Gesetzes vom 
30. Dez. 1871 durch diese anderen Gesetze eingeschränkt werde, 
ist lediglich nach den allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden, 
nach welchen die zeitliche, räumliche und sachliche Geltung der 
Gesetze überhaupt beurtheilt wird, also nach den bekannten 
Rechtsregeln „Reichsrecht bricht Landrecht“, „lex posterior de- 
rogat priori*, „in toto jure generi per speciem derogatur“ u. s. w. 
Die Gesetze nun, welche die Zuständigkeit der staatlichen 
Organe, der Reichs- und Landesbehörden regeln, haben keine 
höhere Autorität und keine grössere Kraft, als die übrigen Ge- 
setze. Was für die Zuständigkeitsgesetze gilt, muss daher auch 
für alle übrigen Gesetze ohne Ausnahme gelten. 
Das Gesetz, welches dem Statthalter Rechte verleiht, wird 
also beschränkt durch die Gesetze, welche anderen Personen 
Rechte verleihen, sofern diese Gesetze nur von einer höheren 
Rechtsquelle herrühren oder später erlassen sind oder als Spezial- 
gesetze dem später erlassenen generellen Gesetze vorgehen. 
Als Resultat dieser Ausführungen ergiebt sich also: 8 10 
des Gesetzes vom 30. Dez. 1871 überträgt dem Statthalter kein 
schrankenloses Recht, sondern ein beschränktes Recht. Die 
Schranken seines Rechts bilden die bestehenden Reichs- und 
Landes-Gesetze. Die Massregeln, welche der Statthalter gemäss 
8 10 des Gesetzes vom 30. Dez. 1871 treffen kann, können 
also nur gesetzmässige, nicht auch gesetzwidrige Mass- 
regeln sein.
	        
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