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dort nicht ansässigen Personen ausweisen darf, wenn er jeden
ansässigen Bürger ebenfalls ausweisen kann? Welchen Sinn hat
es endlich, zu erwähnen, dass der Statthalter die Bewohner von
Elsass-Lothringen in ihrer Nachtruhe stören, ihnen eine Pistole
oder ein Jagdgewehr wegnehmen darf (Art. 9 Ziff. 1 und 3),
wenn er mit unbeschränkter Gewalt über Leben, Freiheit und
Vermögen dieser Personen verfügen kann? Die besondere Her-
vorhebung der in Art. 9 des Gesetzes vom 9. Aug. 1849 an-
geführten Fälle wird erst dann verständlich, wenn man annimmt,
dass der Statthalter auf Grund des ersten Satzes von $ 10 nur
gesetzliche Massregeln treffen darf und dass durch den zweiten
Satz des $ 10 die gesetzliche Kompetenz des Statthalters auf die
in Art. 9 des Gesetzes vom 9. Aug. 1849 erwähnten Fälle er-
weitert worden ist.
Der vierte Satz des Diktaturparagraphen lässt gleichfalls
darauf schliessen, dass dieser Paragraph nicht eine schrankenlose,
sondern nur eine beschränkte Gewalt begründet. Wenn in Satz IV
gesagt ist, dass der Oberpräsident „zu polizeilichen Zwecken“
die in Elsass-Lothringen stehenden Truppen requiriren könne,
so muss aus dieser Einschränkung gefolgert werden, dass zu
anderen Zwecken, z. B. zum Zwecke der Landesvertheidigung, der
Oberpräsident die fraglichen Truppen nicht requiriren kann.
Alle diese Erwägungen führen zu dem Resultat, dass die in
& 10 erwähnten Massregeln nur gesetzliche Massregeln sein
können.
IV.
Ein wichtiges Mittel für die Auslegung des Diktaturpara-
graphen ist bei dem Mangel von Motiven und Parlamentsverhand-
lungen der Zusammenhang, in welchem dieser Paragraph mit
anderen Bestimmungen desselben Gesetzes steht. Das Landes-
gesetz vom 30. Dez. 1871 regelt zweifellos nur die Verwaltung,
nicht. auch die Gesetzgebung, denn letztere war bereits durch
8 3 Abs. 2 und 4 des Reichsgesetzes vom 9. Juni 1871 in er-