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schöpfender Weise geordnet worden. Das Gesetz vom 30. Dez.
1871 regelt ferner nicht alle Zweige der Verwaltung, denn für
die Justizverwaltung und für die Forstverwaltung sind theils vor-
her, theils gleichzeitig die Spezialgesetze vom 14. Juli 1871 und
30. Dez. 1871 erlassen worden. Das Gesetz vom 30. Dez. 1871
regelt endlich nicht die Centralverwaltung, sondern nur die Pro-
vinzial- und die Lokalverwaltung, denn die Befugnisse der franzö-
sischen Minister sind bereits vorher durch 8 4 des Reichsgesetzes
vom 9. Juni 1871 auf den Reichskanzler übergegangen und naoch-
her durch die Bekanntmachung vom 29. Jan. 1872 von dem
Reichskanzler theilweise dem Öberpräsidenten delegirt worden.
Das Gesetz vom 30. Dez. 1871 bezieht sich also lediglich auf
einen Theil der allgemeinen Staatsverwaltung, nämlich auf die
Provinzial-, Bezirks- und Kreisverwaltung. Auf diesem Gebiet der
inneren Verwaltung nun zählt das Gesetz die neuen Behörden
auf, die an die Stelle der französischen Verwaltungshehörden
treten. Dasselbe bestimmt den räumlichen Wirkungskreis der
neuen Verwaltungsbehörden (88 1—3), sowie die sachlichen Be-
fugnisse derselben (88 4—23).
Das Gesetz vom 30. Dez. 1871 ist also ausschliesslich Orga-
nisations- und Kompetenz-Gesetz. Es regelt die örtliche und
sachliche Kompetenz der Behörden der inneren Verwaltung.
Nun wäre es doch sehr merkwürdig, wenn an einer ver-
steckten, in keiner Weise erkennbar gemachten Stelle dieses Ge-
setzes unter der harmlosen Rubrik „Kaiserlicher Rath“ ganz un-
erwartet eine Bestimmung getroffen wäre, welche dem Oberpräsi-
denten das Recht gäbe, zwingende Vorschriften der Reichs- und
Landesgesetze zu suspendiren, abzuändern, aufzuheben oder nach
Belieben als dispositive Rechtssätze zu behandeln. Die genannte
Gesetzesbestimmung hätte den Oberpräsidenten mit einem Schlage
zum mächtigsten Manne nicht blos im Reichslande, sondern in
ganz Deutschland gemacht. Die genannte Gesetzesbestimmung
hätte dem Oberpräsidenten — also einem abhängigen, dem Reichs-