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diejenigen Gesetze und Verordnungen, welche die Befugnisse
und Obliegenheiten des Reichskanzlers in elsass-lothringischen
Landes- Angelegenheiten betreffen, Reichsgesetze geworden sein,
zumal da diese Gesetze und Verordnungen mit dem Diktatur-
paragraphen zusammen in demselben Paragraphen erwähnt werden
($ 2 des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1879). Welchen Zweck
aber soll der Gesetzgeber damit verfolgt haben, jede noch so
geringfügige Veränderung in der durch Landesgesetze begründeten
Kompetenz des Statthalters an die Zustimmung der gesetzgebenden
Faktoren des Reiches zu binden? Denkbar ist ja natürlich, dass
der Gesetzgeber den $ 10 des Landesgesetzes vom 30. Dez. 1871
aufheben und an seiner Stelle ein gleichlautendes Reichsgesetz
erlassen wollte. Aber eine solche Absicht des Gesetzgebers kann
weder aus den Motiven des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1879
noch aus den parlamentarischen Verhandlungen gefolgert werden.
Der Abgeordnete WINDTHORST hat im Gegentheil bei Berathung
des fraglichen Gesetzes ausdrücklich Folgendes erklärt:
„Wenn der $ 10 mit den Befugnissen, die darin enthalten
sind, in diesem Gesetze zunächst konstituirt würde, würde ich
unzweifelhaft gegen das Gesetz stimmen. Es wird aber der $ 10
in diesem Gesetz nicht konstituirt, sondern es wird in diesem
Gesetz nichts anderes angeordnet, als dass der bereits be-
stehende $ 10, dessen Aufhebung ich vergeblich erstrebt habe,
in Beziehung auf die Kompetenz desjenigen, der ihn zu
üben hat, neu regulirt wird. Ich sanktionire also damit
nicht den $ 10 selbst, sondern immer nur dies, dass während der
Oberpräsident ihn in den Händen hatte, nächstens der Herr
Reichskanzler für Elsass-Lothringen ihn handhabt“ 3.
Endlich spricht auch die hisherige Praxis der Reichsgesetz-
gebung gegen LEoxnı. Wenn in anderen Fällen die gesetz-
gebenden Faktoren des Reichs einem Liandesgesetze die Kraft
68 Reichstagsverhandlungen vom 28. Juni 1879 (Sten. Ber. S. 1771).