— 588 —
Statthalters; „d’interdire les r&unions qu’elle juge de nature
& exciter ou & entretenir le desordre“ hat keine praktische Be-
deutung. Ein Recht, ohne Genehmigung der Regierung politische
Vereine zu bilden und politische Versammlungen abzuhalten, wie
es ın Preussen auf Grund der Art. 29 und 30 der preussischen
Verfassung, sowie der Königlichen Verordnung vom 11. März 1850
besteht, existirt in Elsass-Lothringen überhaupt nicht. Jeder
Verein über 20 Personen bedarf gemäss Art. 291 code penal
der Genehmigung der Regierung. Zu öffentlichen Versammlungen,
welche die Erörterung politischer Angelegenheiten bezwecken, ist
nach Art. I Abs. 2 des französischen Gesetzes vom 6. Juni 1868
gleichfalls die Genehmigung der Regierung erforderlich. Zur
Unterdrückung von politischen Vereinen und Versammlungen
reichen also die Vorschriften des gemeinen Rechts vollkommen
aus; der Anwendung des Diktaturparagraphen bedarf es in diesen
Fällen nicht.
Demnach ergiebt sich als Schlussresultat der vorstehenden
Abhandlung:
Die juristische Bedeutung des Diktaturparagraphen ist eine
dreifache. Dieselbe besteht
1. in der Ausdehnung der Kompetenz des Oberpräsidenten
bezw. des Statthalters auf die in Art. 9 Ziff. 1—4 des Gesetzes
vom 9. Aug. 1849 erwähnten Befugnisse, die ohne den Diktatur-
paragraphen entweder gar nicht mehr existiren oder ausschliesslich
zur Kompetenz der Militärbehörde gehören würden;
2. in der Aenderung der Voraussetzungen für die Anwendung
dieser Befugnisse. Dieselben sind nicht mehr an die Thatsache
der formellen Erklärung des Belagerungszustandes, sondern
lediglich an die Thatsache einer Gefahr für die öffentliche Sicher-
heit geknüpft, auch wenn diese Gefahr kein „peril imminent*“
im Sinne des Art. 1 des Gesetzes vom 9. Aug. 1849 ist;
3. in der Umwandelung der durch Art. 9 Ziff. 1—4 des
Gesetzes vom 9. Aug. 1849 begründeten Machtbefugnisse aus