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Wohl ist, wie ein auch nur flüchtiger Blick in das dem zweiten Bande
angefügte Sachregister zeigt, die Zahl der von dem Verfasser behandelten
Fragen des Rechtes der einzelnen Verwaltungszweige keineswegs eine geringe,
immerhin zeigt aber schon das vorliegende, sonst so vortreffliche Buch, dass
es bei dieser Methode schwerer hält, den gesamten verwaltungsrechtlichen
Stoff zu verarbeiten und dass dies auf jeden Fall viel stärkere Wiederholungen
erfordert, als es bei dem bislang üblichen Verfahren nötig ist. Zu diesem
einen Nachteil, den wir übrigens nicht allzu hoch anschlagen, gesellt sich
aber noch ein anderer, wie uns dünkt, gefährlicherer. Es ist der, dass das’
Streben, allgemeine Rechtsgrundsätze zu gewinnen, nur zu leicht dazu ver-
leitet, die bestehenden Verschiedenheiten der Einzelmaterien zu gering zu
werten. Das halten wir eben für den grossen Vorzug der anderen Methode
in rein theoretischer Hinsicht, dass die hier unerlässliche Durcharbeitung der
Einzelmaterien vor Aufstellung zu allgemeiner Rechtsprinzipien bewahrt oder:
wenigstens die in dieser Richtung im allgemeinen Teile aufgestellten Sätze
nach Massgabe der Gesetze für die Einzelfälle mildert. Es kann nicht ver-
kannt werden, dass auch in dem uns vorliegenden Werke das wirklich posi-
tive Recht bei der Aufstellung allgemeiner Rechtsgrundsätze nicht immer zu
seinem vollen Einfluss gelangt ist. Es ist dies insbesondere auch in der
Lehre von der öffentlich-rechtlichen Entschädigung (8 53) der Fall. In keinem.
Teile der Darstellung dürfte es aber schärfer hervortreten und vun so weit-
tragender Bedeutung sein als in dem vom Polizeirecht handelnden.
Nach ÖOrtro Mayer ist die Polizei juristisch betrachtet nicht bloss
Geltendmachung der allgemeinen, allen Staatsunterthanen obliegenden Ge-
horsamspflicht, sondern Geltendmachung einer besonderen, allen Unterthanen
obliegenden Nichtstörungspflicht, d.h. der Pflicht, nicht störend in die gute
Ordnung des Gemeinwesens einzugreifen, sondern dafür zu sorgen, solche
Störungen aus ihrem Lebenskreise zu unterlassen und zu verhüten (Bd. I
S. 251 u. 253). Wir wollen nicht davon reden, dass aus diesem Polizeibegriff,
ganz streng genommen, folgen würde, dass die Polizei nur gegen den wirk-
lichen Störer der guten Ordnung angehen dürfte, nicht aber gegen jemand,
von dem eine solche Störung nur droht, während doch, wie OTTo MAYER
selbst zugiebt (Bd. I S. 265), die Polizei sich hauptsächlich gegen solche
wendet, die auf dem Wege sind, die gute Ordnung zu verletzen. Jedenfalls
folgt aber aus diesem Begriffe, und auch OrrTo MAYER zieht diese Folgerung
(Ba.I S. 266), dass die Polizeigewalt nur gegen diejenigen Unterthanen vor-
zugehen befugt ist, von welchen die Störung der guten Ordnung des Gemein-
wesens herrührt, nicht aber gegen Dritte, Unschuldige. Und doch sehen wir,
wie das positive Recht in einer Reihe von Fällen Personen polizeilich be-
handelt, von welchen die zu beseitigende Störung nicht ausging, ja garnicht
ausgehen konnte, weil es sich um Störungen durch Naturgewalten handelt.
Man darf dem gegenüber nicht sagen: das ist Polizei des Polizeistaates, aber
keine Polizei im heutigen Sinne. Unbestreitbar ist es Polizei des geltenden,
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