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Ed. Engelhardt, Les protectorats anciens et modernes. Paris
A. Pedone, 1896. 231 pages.
Der als Völkerrechtsschriftsteller wohlbekannte Verfasser bietet hier
eine „etude historique et juridique“ über die hauptsächlichsten Protektorate,
die in Vergangenheit und Gegenwart der europäischen Staaten unter An-
reihung Aegyptens bestanden haben bezw. bestehen. Ein zweiter Band soll
in gleicher Weise die asiatischen und afrikanischen Protektorate behandeln.
Der grössere Theil des Buches führt das geschichtliche Material in
bisher wohl nicht erreichter Vollständigkeit und in fesselnder Darstellung
vor. Im Verlaufe der letzteren berichtigt der Verfasser, wie hervorgehoben
sei, die von HEFFTER-GEFFCKEN und v. HoLTZENDORFF vertretene Meinung,
dass Monaco italienischem Protektorate unterstehe, dahin, dass viel-
mehr Frankreich über dasselbe die Schutzherrschaft habe.
Verwerthet wird das gewonnene Material sodann in dem zweiten Theil,
dessen einzelne Kapitel sich leider nur lose in aphoristischer Weise anein-
ander reihen. Der Verfasser betont hier mit Recht im Anschluss an HeiıL-
BORN, dass die Definition des Protektorats als eines von dem schwächeren
Staate freiwillig zu seinem Vortheil eingegangenen Schutzverhältnisses zu
eng ist, insofern es nicht selten in der Geschichte von dem mächtigeren
Staate in eigennütziger Absicht dem schwächeren aufgezwungen worden
sei. Unter Hinweis auf das langjährige Bestehen verschiedener Protektorate,,
namentlich derjenigen über Monaco, Andorra und San Marino, tritt er
ferner der Ansicht BLuntschLi’s entgegen, nach welcher die Protektorate
keine normalen, sondern nur vorübergehende Gebilde sind, die den
Keim des Todes in sich tragen. Sich weiterhin zu der Betrachtung des
protegirten Staatswesens wendend, meint ENGELHARDT, dass dieses nicht noth-
wendig alle Elemente eines Staates in sich vereinigen müsse, vielmehr auch
bloss eine unterworfene Provinz sein könne; so wie 1448 der Herrscher von
Monaco, Grimaldi, lediglich Mentone und Roquebrune dem Protektorat des
Herzogs von Savoyen unterstellt habe.
Besonderen Raum nehmen erklärlicherweise die Erörterungen über die
rechtliche Stellung des Schutzstaates ein. Das hierfür geltende Grundprin-
zip formulirt der Verfasser dehin: der Protektor „se substitue* dem Schutz-
staat in den internationalen Beziehungen. Insbesondere habe letzte-
rer keine „autonomie diplomatique“; in diplomatischer Hinsicht vertrete ihn
der Oberstaat entweder ganz nach Art eines tutor, oder mindestens habe
der Oberstaat, insofern der Schutzstaat eigene diplomatische Organe habe
(wie San Marino), die Stellung eines curator. Auf wirthschaftlichem Gebiet
sei dagegen der geschützte Staat völlig frei; und daraus ergebe sich seine
„autonomie consulaire“, insoweit die Konsuln ausschliesslich wirthschaftliche
Funktionen hätten. Das Vertragsrecht gehe mit dem Gesandtschaftsrecht
Hand in Hand, desshalb stehe es auch regelmässig den Protegirten nicht
zu. Das Gleiche gelte von der „autonomie militaire“, die der untergeordnete