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gestaltung fähig, wie sich an den beiden Extremen zeige: den ionischen
Inseln, die fast so gut wie annektirt gewesen seien, und der Freistadt Dan-
zig, die unter polnischem Protektorat fast im Vollbesitz der Souveränetät
nach aussen und innen gewesen sei. Vermöge dieser Elastizität passe sich
das Protektorat allen zeitlichen und örtlichen Bedürfnissen an.
Ziweifellos kann die Völkerrechtslitteratur den Zuwachs, den sie in
Gestalt des EneeLHharor’schen Buches erfahren hat, willkommen heissen.
In der Werthschätzung der Protektorate stimmen wir freilich mit dem Au-
tor nicht völlig überein. BLuntscHLı hat doch wohl nicht so ganz Unrecht,
wenn er in den Protektoraten nur ein Uebergangsgebilde erblickt. Schauen
auch einzelne der heute bestehenden Schutzverhältnisse auf ein in die Jahr-
hunderte gehendes Bestehen zurück, so sind dies doch nur Ausnahmen.
Meist bedeutet der Eintritt eines Staates unter fremden Schutz einen unge-
sunden Zustand, eine Krankheit, mindestens ein „Unwohlsein“, eine „Schwäche“.
Genesung oder Tod sind der Ausgang. Auch sonst scheinen uns hie und
da die Aufstellungen des Verfassers anfechtbar. So, wenn er lehrt, dass das
untergeordnete Staatswesen nicht alle Elemente eines Staates aufzuweisen
braucht. Fehlt demselben auch nur eines der „elements caracteristiques de
l’Etat“, so ist es eben kein Staat, höchstens ein Staatsfragment, um mit
JELLINEK zu reden, und damit keine völkerrechtliche Person, die mit dem
Protektor in völkerrechtlichem Rechts- und Pflichtverhältniss stehen könnte.
Das Beispiel Monacos von 1448 beweist nicht, was es soll: hier waren nicht
die beiden Provinzen Mentone und Roquebrune, sondern der Staat Monaco
selbst das protegirte Subjekt, mit der Maassgabe, dass letzteres nicht sein
ganzes Gebiet dem fremden Schutz unterstellte. Die Darlegungen über die
Rechtsstellung des Schutzstaates würden u. E. richtiger und in sich ge-
schlossener ausgefallen sein, wenn Verfasser nach dem Vorgange HEILBORN’s
das Charakteristicum des Protektorats in einer Minderung oder gänzlichen
Entziehung der Handlungsfähigkeit des Schutzstaates gesehen und in
Verbindung hiermit die hergebrachten Begriffe des Gesandtschafts-, Konsu-
lats-, Vertrags- und Kriegsrechts durch die entsprechenden Fähigkeiten
ersetzt hätte. Aber gleichviel, wie man hierüber denkt, in jedem Falle bietet
das vorliegende Werk viel des Anregenden und Lehrreichen.
Zum Schluss seien zwei wesentlichere Druckfehler berichtigt: p. 207
Zeile 7 v. u. ist augenscheinlich „Etats“ statt „etrangers“, und p. 225 Zeile 5
y. u. doch wohl „son elastieite“ statt „sa plasticite“ zu lesen.
Breslau. Beling.
Peltzer, J., Regierungsrath, Die Begründung von Rentengütern und
das Grundbuch im Gebiete des Preussischen Allgemeinen
Landrechts, Mit dem Texte der beiden Rentengutsgesetze vom
27. Juni 1890 und 7. Juli 1891. Berlin, Franz Vehlen, 1895. VI u.
1378, M, 3—.