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aller indeterministischen Einwürfe führen, namentlich der angeblichen Aufhe-
bung des Schuldbegriffs.
Die im gattungsmässigen Wesen des Menschen begründete Werth-
schätzung kennt Verf. nicht, aber er weiss doch, wenn auch diese Begrün-
dung fehlt, dass (S. 210) der Werth des Wollens ganz unabhängig von der
Frage nach der Verursachung des Wollens ist, dass wir ein Wollen, sei es
unser eigenes, sei es fremdes, aus tiefster Seele verabscheuen können, auch
wenn wir genau sehen, wie das Subjekt desselben dazu gekommen ist.
Die Lehre von der Vergeltung und von der Tilgung des Unrechts ist
in ausgezeichneter Weise gewürdigt. Wahrhaft wohlthuend wirkt die Ein-
sicht, dass das quia peccatum est und ne peccetur nicht absolute Gegensätze
sind, und die Anerkennung der sittlichen Grundlage des Staates, in Betreff
welcher letzteren ich ausser auf meine ganze Ethik und rechtsphilosophischen
Schriften, besonders auf das Aufsätzchen „Das Recht und die Ehe“, Bd. ],
Heft 3 der „Zeitschrift für immanente Philosophie* verweisen will.
Wilhelm Schuppe.
Dr. Jos. Hürbin, Rektor des Gymnasiums und Lyceums in Luzern, Peter
von Andlau, der Verfasser des ersten deutschen Reichsstaatsrechts
Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus am Oberrhein im XV. Jahr-
hundert. Strassburg, J. H. Ed. Heitz, 1897. 286 S. 8°. M.6.—.
Zu den sinnigsten Gaben, welche der Universität Strassburg zur Feier
ihres 25jährigen Bestehens dargebracht worden sind, gehört diese Mono-
graphie über den berühmten Verfasser des Libellus de Caesarea monarchia,
der ersten zusammenhängenden Darstellung des deutschen Staatsrechts und
der einzigen, welche im 15. Jahrhundert geschrieben worden ist. Die Mono-
graphie bildet den Abschluss von langjährigen Studien, deren Resultate Herr
Dr. Hürsm bereits in mehreren Vorarbeiten veröffentlicht hat. Wir er-
halten nicht nur ein auf sorgfältigen Studien beruhendes Lebensbild Peter’s,
seiner Ausbildung in Heidelberg und Pavia, seines Wirkens in Basel, seines
Antheils an der Gründung der dortigen Universität, deren erster Vizekanzler
er war, seiner Thätigkeit als Professor und Geistlicher, sondern auch eine
Analyse seiner Schriften nebst dem Nachweis der von ihm benutzten Quellen
und Litteratur und der von ihm befolgten Methode. Dies Alles gewinnt da-
durch ein besonderes Interesse, dass Hürsın das Lebensbild Peter’s auf dem
Hintergrund der Zeitgeschichte zu zeichnen versteht und den Uebergang vom
Scholastizismus zum Humanismus, für welchen Peter ein besonders hervor-
ragender Repräsentant ist, durch die Schilderung seiner Persönlichkeit, seines
Denkens und Schaffens veranschaulicht. Beigegeben sind der Biographie
Peter’s zwei Exkurse über die Verbreitung der deutschen Kaisersage im El-
sass und zur „Quaternionentheorie“, welche PETRUS in seine Darstellung der
deutschen Staatsverfassung aufgenommen hat. Laband.