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mässigkeit und Rechtlichkeit freilich sei dem Rechtsgebiete eigen-
tümlich und durchgängig, aber das sei etwas anderes als Ge-
rechtigkeit und Folge des positiven Rechts, nicht jedoch dessen
bestimmendes Prinzip.
Die Römer fassten die Gerechtigkeit als eine menschliche
Eigenschaft oder Tugend auf (Ulpianus in fr. 1 pr. D. de justitia
et jure (1, 1); fr. 10 pr. D. eod.); in der christlichen Lehre ist
ihr Urgrund in Gott zu suchen, dessen Schutz von Gläubigen
auch heute noch erfleht wird, wenn die weltliche Gerechtigkeit
versagt oder zu versagen droht; in der neueren Philosophie aber
hat die Gerechtigkeit ihre Entstehung in dem allbeherrschenden
Ethos der sittlichen Weltordnung, deren oberstes Gesetz die
Menschenliebe ist, aus der das naturgemässe Gleichgewicht
zwischen Egoismus und Altruismus als Pflichtgebot her-
vorgeht. Dieses führt zur Uebung einer ausgleichenden Gerechtig-
keit, welche seit dem grossen Kurfürsten das in Brandenburg-
Preussen normgebende Prinzip der Rechtspflege, wie der Reichs-
anzeiger vom März 1890 hervorzuheben Gelegenheit hatte, sein
sollte.
Die realistisch-idealistische Weltanschauung findet, wie bei
der metaphysischen Erklärung der Vernunft, die Gerechtigkeits-
idee nur im zeitlich-räumlichen Dasein des Menschen begrenzt.
und nur relativ vor, in Offenbarung einer transzendentalen,
höheren Gerechtigkeit, deren Erkenntnis die Aufgabe der Rechts-
philosophie sein mag; dahin mögen z. B. Konrters Ideale im
Recht, 1891, gehören.
Menschenmögliche Erzielung höchster Gerechtigkeit mag
Prinzip, Grund und Zweck der Rechtspflege sein, deren Ord-
nung jedoch durch die Natur oder Eigenart der Rechte beeinflusst
werden muss, welche durchzuführen oder zu schützen sind —
Privat- und öffentliche Rechte, wie solche Pflichten. Dass diese
für die prinzipielle Gestaltung der einzelnen Rechtspflegearten
massgebend sein muss, ist vom Verf. besonders für das Straf-