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weitere Konsequenzen von den Juristen gemacht worden. Sie
war nicht sowohl eine systematische als praktische” und — was
sie besonders bedenklich macht — sie war keineswegs einheit-
lich®! Zunächst zeigen die Quellen eine auffallende Unsicher-
heit überdas Objekt der Einteilung. Die bekannte
Ulpianstelle: 12. D 1, 1: „Huius (sc. juris) studii duae
sunt positiones, publicum et privatum‘ hat offenbar mehr eine
Unterscheidung von Rechtsdisziplinen als jenes System der
Rechtsordnung, der Rechtsnormen im Auge, das wiederum
nach anderen Stellen mit der Gegenüberstellung der beiden
Begriffe beabsichtigt sein soll. Aber auch das Unterschei-
dungskriterium ist ein überaus schwankendes. Neben dem
Ulpianschen Lehrsatz, der als Schulmeinung Geltung gefunden
hat, und nach dem das staatliche oder individuelle Interesse,
dem der Schutz des Rechtssatzes gilt, maßgebend ist, findet
sich der bekannte Ausspruch Papinians: Il. 38D. 14, 2: jus pu-
blicum privatorum pactis mutari non potest, demzufolge der
Gegensatz zwischen jus publicum und jus privatum mit dem
von jus cogens und jus dispositivum zusammenfällt. Die römi-
schen Juristen haben es mit diesem Gegensatz, den die mo-
derne Rechtswissenschaft von ihnen übernommen und zu
ihrem wichtigsten, obersten Einteilungsprinzip gemacht hat,
nicht sehr genau genommen. Zumal der Inhalt eines der beiden
Begriffe — nämlich des jus publicum — eigentlich niemals recht
juristisch durchgearbeitet war; und — wenn man speziell an
dessen wichtigsten Bestandteil, das Staatsrecht denkt —
eigentlich niemals einen vollkommenen Rechtscharakter, nie-
mals jene ausgesprochen juristische Physiognomie aufwies,
die das Privatrecht der Römer auszeichnet. Man kann nicht
sagen, daß dem jus privatum im jus publicum ein Gleich-
” Arnold, a. a. ©. 8. 407.
® Vgl. Ehrlich, Beiträge zur Theorie der Rechtsquellen I. 1902
S. 159 ff.