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gekommen, dass unschuldige Angeklagte sich mir gegenüber bitter
darüber beklagt haben, dass ihnen der Mund verschlossen war.
Ist eine Frauensperson die einzige Entlastungszeugin, so ist der
Angeklagte gerettet, falls er nur mit derselben lebte, und ver-
loren, falls er dieselbe geheiratet hat. Ich habe selbst eine Frei-
sprechung dadurch erwirkt, dass ich den Beweis erbrachte, dass
eine angebliche Ehefrau eine blosse Konkubine war; wäre die
Frauensperson eine wirkliche Ehefrau gewesen, so wäre mein
Klient ohne Zweifel verurteilt worden. Die absolute Notwendig-
keit der in Frage stehenden Aenderung ergiebt sich weiter aus
folgendem Falle. Ein Geistlicher, dessen einzige Entlastungs-
zeugin seine Ehefrau hätte sein können, wurde, ohne selbst gehört
zu werden, wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen zu vier Jahren
Gefängnis verurteilt. Der Home Secretary weigerte sich, auf
ein Begnadigungsgesuch einzutreten, so lange nicht die Kinder,
an welchen die strafbare Handlung begangen sein sollte, wegen
Meineids verurteilt seien. Das Meineidsverfahren, in welchem der
Geistliche und seine Ehefrau als Zeugen vernommen wurden, en-
digte mit der Verurteilung der Kinder, welche selbst nicht gehört
werden konnten. Der Geistliche wurde darauf auf freien Fuss ge-
setzt und verklagte seine Anwälte wegen nachlässiger Wahrnehmung
seiner Rechte. Diese Klage wurde abgewiesen, weil über die
Frage, ob der Geistliche schuldig sei, bisher nicht unter Anhörung
sämtlicher beteiligten Personen entschieden war. Man beachte
ferner nachstehenden Fall. Ein Gastwirt, welcher sein Geschäft
mit Hülfe seiner Ehefrau und eines Angestellten betrieb, verkaufte
seine Wirtschaft und nahm drei Accepte über den Kaufpreis. Das
letzte Accept wurde nicht eingelöst und musste eingeklagt werden.
Der Beklagte begann darauf ein Strafverfahren gegen den Kläger
wegen Betrugs beim Abschlusse des Kaufvertrages. Dem An-
geklagten selbst war der Mund verschlossen, seine Ehefrau konnte
nicht als Zeugin vernommen werden und der frühere Angestellte
des Angeklagten war nicht aufzufinden. Die Folge war, dass
Archiv für öffentliches Recht. XII 1. 7