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und sind desshalb vielleicht durch Interpretation zu beseitigen.
Sollten sie sich anderseits aber auch „nach dem im Gesetze ob-
jektivirten gesetzgeberischen Willen“ (REum) als zutreffend be-
gründen lassen, so wären damit doch nur vereinzelte Gründe für
seine Ansicht gewonnen, die neben den zahlreichen und gewich-
tigen Gründen dagegen zurücktreten müssten. Eine eingehende
Würdigung der Reum’schen Auffassung würde den zur Verfügung
stehenden Raum überschreiten, und es kann davon um so eher
abgesehen werden, als diese Auffassung auf die uns beschäfti-
gende Frage keine Antwort ertheilt, die sich nicht auch begrün-
den liesse von dem herrschenden Standpunkt aus, dass nämlich
die Arbeitsordnung lediglich ein Vertragsentwurf sei, der „die
Bedingungen aufstellt, welche der Arbeitgeber den bei ihm Be-
schäftigung suchenden Arbeitern anbietet“ (Motive). Freilich
kann man auch von dieser einen Grundlage aus zu sehr ver-
schiedenen Ergebnissen gelangen.
Zunächst ist hierbei vor allzu weitgehenden Folgerungen aus
der Vertragstheorie zu warnen. So ist jedenfalls die Ansicht zu
verwerfen, der Arbeiter müsse, um an die Arbeitsordnung ge-
bunden zu sein, vor Eintritt in die Beschäftigung Kenntniss von
ihrem Inhalt genommen haben. Denn dass Verträge gültig zu
Stande kommen können, auch wenn eine Partei die Bedingungen
zum grössten Theil nicht kennt, bedarf keiner Begründung mehr;
es sei nur auf die Verträge hingewiesen, die alltäglich mit der
Post oder mit Eisenbahnen abgeschlossen werden, ohne dass auch
nur einem kleinen Theile der betheiligten Privatpersonen die für
diese Verträge maassgebende Post- oder Verkehrsordnung bekannt
wäre. Von dieser allgemeinen Erwägung aus könnte man es also für
ausreichend, aber auch für erforderlich erklären, wenn der Arbeiter
die Beschäftigung beginnt, nachdem ihm nur bekannt geworden,
dass eine Arbeitsordnung für den Betrieb überhaupt erlassen ist.
Er würde ihren Inhalt durch den Beginn der Beschäftigung einst-
weilen genehmigt und für sich als verbindlich anerkannt haben.