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verbindlich.“ Was könnte dieser Bestimmung für ein Sinn inne
wohnen, wenn die Arbeitsordnung mit jedem einzelnen Arbeiter
vereinbart werden müsste? Dass sie dann verbindlich wäre, ver-
stünde sich ja von selbst! Dass dieser Bestimmung aber sehr wohl
eine Bedeutung inne wohnt, ist noch weiter unten darzuthun.
Eben diese Erwägungen würden schon dazu führen, auch eine
ähnliche Auffassung zu widerlegen, nach der die Arbeitsordnung
nur dann verbindlich ist, wenn sie bei der Annahme des Arbeiters
durch ausdrücklichen Hinweis auf sie zum Gegenstand des Ar-
beitsvertrages gemacht ist. Auf diese Ansicht muss indessen bei
der ausführlichen Begründung, die sie in einem Urtheil gefunden,
näher eingegangen werden. Die Begründung zum Regierungsent-
wurf — heisst es dort — die im Reichstag keinen Widerspruch
erfahren hat und daher zur Auslegung herangezogen werden
müsse, spräche überall davon, dass sich der Arbeiter den vom
Arbeitgeber in der Arbeitsordnung angebotenen Bedingungen
unterwerfen müsse; davon könne aber nicht die Rede sein,
wenn der Arbeiter gar nicht wisse, dass eine Arbeitsordnung be-
steht. Des Weiteren wird auf den durch $ 105 der Gewerbeord-
nung aufgestellten Grundsatz hingewiesen, wonach die Festsetzung
der Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeiter Gegenstand
freier Uebereinkunft sei; die Verpflichtung auf Bedingungen, von
denen der Arbeiter nicht einmal wisse, dass sie vorhanden seien,
würde eine Ausnahme von jenem Grundsatz sein, der unzwei-
deutig zum Ausdruck hätte gebracht werden müssen. Hierbei ist
zunächst übersehen, dass für den Grundsatz des $ 105 ausdrück-
lich durch die Worte: „vorbehaltlich der durch Reichsgesetze be-
gründeten Beschränkungen“ Ausnahmen jeder Art vorgesehen
sind. Dass derartige Beschränkungen immer noch ausdrücklich
als Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz des $ 105 be-
zeichnet werden müssten, kann hiernach offenbar nicht verlangt
werden. Andernfalls wären zahlreiche Bestimmungen des 808.
Arbeiterschutzgesetzes unverbindlich, da sie die grundsätzlich an-