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kraft Beschlusses der vereinigten Civilsenate, ein Strafsenat von
der Rechtsansicht eines anderen Strafsenates nur kraft Beschlusses
der vereinigten Strafsenate abweichen darf, und bei Konflikten
zwischen Civil- und Strafsenaten gar das Plenum zu entscheiden
hat, so darf man eine grosse Einigkeit der Senate in Rechts-
fragen unterstellen. Besser gesagt: man sollte sie unterstellen dürfen.
Wie es mit dieser Einigkeit bei den Strafsenaten bestellt ist,
kann an einer einzelnen Materie nicht schlagender dargethan
werden, als dies BIRKMEYER in seinem Buche über die Theil-
nahme* gethan hat.
Besser scheint es bei den Civilsenaten zu stehen, denn alle
Augenblicke findet man Erörterungen darüber, ob ein Wider-
spruch mit einer Entscheidung gegeben sei, und am Schlusse
ganz regelmässig die Verneinung eines Konfliktes.
Ein häufig wiederkehrender Fall ist der, dass dieselbe Frage
nach verschiedenen Rechten zu beantworten ist. Hier liegt aller-
dings im Sinne des $ 137 G.-V.-G. nicht dieselbe „Rechtsfrage“
vor. Dies Ergebniss wird aber recht komisch, wenn die ver-
schiedenen Rechte eine Lösung der Frage nur durch Zurückgehen
auf allgemeine, ihnen allen gleiche Grundsätze ermöglichen, wofür
Entscheidung in Civilsachen XXX VII 30 ein gutes Beispiel abgiebt.
Nicht minder zahlreich sind die Fälle, in denen das Reichs-
gericht zwar einen Widerspruch mit der Rechtsansicht eines
anderen Senates als gegeben annimmt, die Aufstellung dieser
Rechtsansicht aber nicht als Entscheidung der Rechtsfrage
gelten lässt.
Nehmen wir einmal das Gesetz zur Hand. 8 137 Abs. 1
G.-V.-G. lautet, wie folgt:
„Will in einer Rechtsfrage ein Oivilsenat von der Ent-
scheidung eines anderen Civilsenats oder der vereinigten Civil-
senate oder ein Strafsenat von der Entscheidung eines anderen
Strafsenats oder der vereinigten Strafsenate abweichen, so ist
über die streitige Rechtsfrage im ersteren Falle eine Entschei-
* „Die Lehre von der Theilnahme und die Rechtsprechung des Deut-
schen Reichsgerichts.“ Berlin 1890.