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dung der vereinigten Civilsenate, im letzteren Falle eine solche
der vereinigten Strafsenate einzuholen.“
Das Reichsgericht liest nun den Satz offenbar, als lautete
er: Will ein Civilsenat in einer Rechtsfrage von deren Entschei-
dung durch einen anderen Oivilsenat u. s. w. abweichen u. s. w.
Aus solcher Fassung liesse sich dann allerdings folgern:
1. Die Frage muss in der früheren Entscheidung nicht nur
gelöst sein, sondern diese Entscheidung muss auch auf der Lösung
beruhen.
2. Nur in der früher entschiedenen Frage kann nicht ab-
gewichen werden, wohl aber in anderen Fragen, mögen sie auch
als nothwendige vielleicht ganz selbstverständliche Folgen oder
Voraussetzungen aus der früheren Entscheidung sich ergeben.
Der Grundirrthum des Reichsgerichts liegt in der Auffassung
des Wortes „Entscheidung“. Das Wort gehört keineswegs zu
„Rechtsfrage*, und damit ist eigentlich auch schon seine Bedeu-
tung klar gestellt. Es bildet hier, wie sonst so oft in den Prozess-
gesetzen, den terminus technicus für die Zusammenfassung der
richterlichen Willenserklärungen (Urtheil, Beschluss, Verfügung).
Es kommt also
1. nicht darauf an, wie auch das Reichsgericht annimmt, ob
die frühere Entscheidung von gleicher Art wie die spätere oder
diese ein Urtheil, jene eine andere Entscheidung ist, und ob die
eine in der ersten, die andere in der Rechtsmittelinstanz ergeht.
2. Die frühere Entscheidung muss derartig sein, dass eine
„Abweichung in einer Rechtsfrage* überhaupt möglich ist.
Nun kann aber die betreffende Rechtsfrage in der früheren
Entscheidung auf viererlei Weise behandelt sein.
a) Die Rechtsfrage wird aufgeworfen, es werden auch die
Gründe für und wider aufgeführt, die Lösung bleibt aber dahin-
gestellt.
Eine solche Entscheidung kann natürlich niemals einen Kon-
flikt begründen,
b) Die Rechtsfrage wird aufgeworfen und gelöst, das Er-
gebniss aber nicht verwerthet oder doch nicht als Hauptstütze
der Entscheidung verwandt.