Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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völlige Klarheit über das „Schneiden des vorliegenden Messers“ erst dann 
möglich sein, wenn die von dem Verfasser versprochene „Allgemeine Staats- 
lehre“ vorliegen wird. Wichtige Untersuchungen, die auf dem Grenzgebiete 
stehen, sind ausdrücklich dieser vorbehalten (S. 255). 
Einstweilen ist der Referent nicht ohne Bedenken, ob die beschlossene 
Scheidung für die geschichtliche Darstellung empfehlenswerth ist, ob es 
wirklich „die oberste Aufgabe einer geschichtlichen Darstellung der Staats- 
rechtswissenschaft ist, der Selbständigkeit, deren sich die Staatsrechtswissen- 
schaft in Deutschland heute in dogmatischer Beziehung erfreut, auch in ihrer 
historischen Behandlung Ausdruck zu geben“, Wo bis in die Neuzeit hinein 
Alles ungeschieden bei einander lag, da haben die Versuche eine uns ge- 
läufige Trennung ex post in die Vergangenheit hineinzutragen, leicht etwas 
Willkürliches. Und so durchzieht denn auch das ganze Buch das Bemühen, 
eine Abgrenzung da zu schaffen, wo dem unbefangenen Auge die Voraus- 
setzungen einer solchen kaum gegeben erscheinen. 
Stellt man sich jedoch auf den prinzipiellen Boden, den der Verfasser 
sich, wie es sein Recht ist, wählt, so kann man der Gesammtleistung frohe 
Anerkennung nicht versagen. Im ersten Buche werden uns die Anfänge des 
griechischen staatswissenschaftlichen Denkens und der Höhepunkt, den es 
in der antiken Welt erreichte, vorgeführt. Die Darstellung von der Zeit des 
Sokrates und der Sophisten bis auf Aristoteles und seine Schule nimmt 
reichlich die Hälfte des Buches in Anspruch. Platon und Aristoteles stehen, 
wie billig, im Vordergrunde der Darstellung, die hier durchaus auf selbstän- 
diger Forschung beruht und insbesondere, was die vielumstrittene Staats- 
formenlehre des Aristoteles angeht, zu ebenso originellen wie einleuchtenden 
Resultaten kommt. Diese Darstellung der griechischen Staatslehre ist un- 
zweifelhaft die gelungenste Partie des Buches. Ja, man möchte vielleicht 
ein Missverhältniss störend empfinden, zwischen den eindringenden Unter- 
suchungen hier, die den Charakter einer Monographie tragen und der mehr 
kursorischen Behandlung der späteren Zeit: Aus dem in Hellas mächtig 
strömenden Flusse wird, je mehr wir uns unserem Jahrhundert nähern, ein 
bescheidenes Bächlein. Dennoch wäre es höchst ungerecht, wenn wir nicht 
anerkennen wollten, dass, namentlich was das Mittelalter angeht, sowie die 
Zeit des Naturrechts im engeren Sinne, die Gesammtentwicklung in über- 
sichtlicher und selbständiger Weise vor Augen geführt wird. Insbesondere 
empfindet hier, wie in dem ganzen Buche, der Leser das Bemühen angenehm, 
die modernen Staatsrechtsbegriffe, die ja schliesslich doch ein langsam gereiftes 
Produkt dieser Vorarbeiten älterer Perioden sind, in den ersten Stadien 
ihrer Entstehung aufzusuchen und scharf hervorzuheben, selbst da, wo sie 
mehr instinktiv als mit bewusster Absicht von den staatswissenschaftlichen 
Schriftstellern sich angewendet finden. Endlich möge die ausserordentliche 
Belesenheit des Verfassers in der einschlägigen Litteratur, die auch in einer 
grossen Fülle von Litteraturangaben zum Ausdruck kommt, ausdrücklich
	        
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