Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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Billigung Anspruch machen können, sind es doch im Wesentlichen die näm- 
lichen Gründe, die von den Vertretern des geschichtlichen Rechts vorgeführt 
werden; eher noch dürften die Lichtseiten, die Seıtz dem Naturrechte ab- 
gewinnt, auf Widerspruch stossen. 
Grösseres Interesse als die Angriffe auf das Naturrecht erwecken die 
Ausführungen gegen die historische Schule. Es wäre aber zu erwarten 
gewesen, dass der Verfasser das Wesen der historischen Schule und die 
verschiedenen Richtungen, die sich innerhalb derselben gebildet haben, vor- 
erst eingehend darlegen würde, damit man das Objekt der Bekämpfung 
klar vor Augen gehabt hätte, Bekanntlich besteht ja eine vollkommene 
Uebereinstimmung der Ansichten darüber, was historische Rechtswissenschaft 
sei, nicht, und es haben gerade die Begründer derselben es unterlassen, eine 
genaue Umgrenzung des Begriffes zu geben. Seırtz richtet nun seine An- 
griffe gegen den Ausspruch: „Das Recht ist durch die gesammte Vergangen- 
heit gegeben.“ Dadurch sei die historische Schule zum alleinigen Kultus des 
alten Rechts gelangt, „sie glaubte so das zum Theil todte vergangene Recht 
a priori wieder zu beleben, zu einem lebenden und geltenden „machen“ und 
so gegen das gegebene, von ihr selbst anerkannte geschichtliche Leben und 
sich Bewegen des Rechts gewaltsam sich verstossen zu dürfen: als Revo- 
lution eines aprioristischen Rechtswahnes nach rückwärts!“ SEITZ verkennt 
so den eigentlichen Grundgedanken der historischen Schule durchaus. Dieser 
Grundgedanke ist zwar zunächst ein negativer, insofern er die Prätensionen 
des Naturrechts bekämpft; positiv aber gipfelt er sich darin, dass das Recht 
auf einem geschichtlichen Vorgange beruhe, dass es historischen Thatsachen 
entspringe und der allgemeinen menschlichen Entwicklung unterliege wie 
Kultur und Sitte. Noch haben die Gründer der historischen Schule das 
Hauptgewicht nicht auf das formale Moment der Positivität gelegt, wie die 
Anhänger der spätern orthodoxen Richtung. Gerade die Behandlung des 
Lieblingsgegenstandes der historischen Schule, des Gewohnheitsrechts, zeigt 
eine völlig freie Auffassung der Rechtsentwicklung, eine Auffassung, die 
sogar von einer gewissen Missachtung des positiven Gesetzesrechts nicht ganz 
frei ist. Deshalb werden auch die Gründer der historischen Schule von den 
Positivisten geradezu naturrechtlicher Anschauungen beschuldigt. 
Die Angriffe des Verfassers richten sich gegen eine rein äusserliche 
Erscheinung. Naturgemäss zeigte sich die Reaktion der geschichtlichen 
Rechtswissenschaft gegen die Naturrechtstheorie zunächst in der vermehrten 
Pflege der Rechtsgeschichte, indem man mit Nachdruck auf die geschichtliche 
Entwicklung des Rechts hinwies. Wie jede Schule, so weist auch die geschicht- 
liche Schule Auswüchse auf. Nicht der geringste liegt in der Ueberschätzung 
der blossen Rechtshistorie gegenüber dem Eindringen in das lebende prak- 
tische Recht. Diese Richtung der geschichtlichen Schule mag SEIrtz den Stoff 
zu seinen Angriffen gegeben haben und zwar mit einer gewissen Berechti- 
gung. Wäre wirklich die Rechtsgeschichte der wahre und einzige Schlüssel
	        
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