Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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zum Verständnisse des Rechts der Gegenwart, so liesse sich diese Schätzung 
begreifen. Das ist jedoch nicht der Fall; neben der Geschichte und mehr 
noch als diese dient zur Erfassung des lebenden Rechts die Beobachtung des 
wirthschaftlichen und sozialen Lebens. Die Rechtsentwicklung ist nicht die 
harmonische, einheitliche und allmähliche einer Blume; wirthschaftliche Um- 
wälzungen, wie wir sie in diesem Jahrhundert beobachten konnten, haben 
auf die Rechtsentwicklung grössere Einwirkung gehabt, als die politischen 
Ereignisse von Jahrhunderten. Denken wir auch an den bedeutenden Ein- 
fluss, welchen die sozialpolitische Richtung der Wirthschaftslehre auf unser 
heutiges Recht ausgeübt hat. 
Dagegen geht SEITZ zu weit, wenn er über den Kultus des alten anti- 
quirten Rechts klagt. Es mögen ja in dieser Richtung Einseitigkeiten und 
Uebertreibungen vorgekommen sein und noch vorkommen, wesentlichen Ein- 
fluss haben sie nicht erlangt. 
Wenn wir dem kritischen Theil des vorliegenden Werkes denjenigen 
Werth, den ihm der Verfasser offenbar beimisst, nicht völlig zuerkennen 
können, so erklären wir um so lieber unsere Zustimmung zu den positiven 
Forderungen des Verfassers, die auf eine empirisch-induktive Methode hin- 
zielen. Freilich macht Sertz es dem Leser schwer, seinem Gedankengange 
zu folgen. Die Darstellung ist breit und weitschweifig, mit Bildern und 
Gleichnissen völlig durchsetzt, welche das Verständniss nicht erleichtern, 
sondern erschweren. SEITZ bemerkt, er habe die Form der Plauderei ge- 
wählt; ich finde es nicht. Jedenfalls liegt das Durchsichtige, Leichtfassliche, 
Anregende, das wir der Causerie zuzuschreiben gewohnt sind, der Darstellung 
völlig ferne. Der Verfasser betont beständig seine Eigenschaft als Praktiker; 
aber gerade ein Praktiker hätte durch Einfachheit, Klarheit und Knappheit 
der Darstellung zu wirken suchen sollen. Statt dessen treffen wir Ab- 
schweifungen, Wiederholungen und Subjektivitäten. Weniger wäre auch hier 
mehr gewesen. 
A. Affolter. 
l. Verfassung des Deutschen Reichs. Mit Einleitung und Kommentar 
von Dr. Adolf Arndt, Oberbergrat und Professor der Rechte in Halle 
a. S. Berlin, J. Guttenberg, 1895. XII, 339 S. Kart. M. 3. 
2. Die Verfassungsurkunde des Deutschen Reichs. Erläutert von 
Dr. Philipp Zorn, Geh. Justizrat und ord. Professor der Rechte in 
Königsberg i. Pr. Berlin, ©. Heymann’s Verlag, 1895. XII, 214 8. 
M. 2.— 
Arnpts Kommentar zur Reichsverfassung wird, wie seine preussische 
Verfassungsurkunde, längst überall günstige Aufnahme gefunden haben, auch 
da, wo seine Ansichten nicht ganz geteilt werden. ARNDT verteidigt sich 
im Vorworte gegen den Vorwurf, dass seine staatsrechtlichen Arbeiten die 
Archiv für Öffentliches Recht. XI. 1. 10
	        
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