Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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Tendenz hätten, für die Praxis gegen die Theorie und für die Autorität des 
Staatsgedankens (Souveräns) gegen -die Befugnisse des Parlaments einzutreten. 
Auch wir billigen die Auffassung Arnpts — vergl. unsere Besprechung von 
SEYDELS Kommentar, Archiv für öffentl. Recht, XII S. 286 —, dass die 
deutsche Staatsrechtswissenschaft trotz ihrer Fortschritte sich noch nicht 
ganz von der Gefahr befreit hat, „ruhig ihre Kreise zu ziehen, ohne Rück- 
sicht darauf, dass das wirkliche Leben ihrer spottet“. Nichtsdestoweniger 
können wir mit ARNDT nicht übereinstimmen, wenn er der Wissenschaft 
allgemein das Recht bestreitet, Anordnungen der Reichsgewalt — trotz ihrer 
unangefochtenen Wirksamkeit — als ungiltig zu erklären. Vielleicht ist der 
Widerspruch gegen die konstruktive Methode nicht so prinzipiell gemeint; 
denn es kann ARNDT nicht entgehen, dass die Wissenschaft schon manche 
Regierung von der Unhaltbarkeit ihrer staatsrechtlichen Auffassung über- 
zeugt oder manchmal erfolgreich in dem politischen Kampfe um konstitutio- 
nelle Rechte des Parlaments mitgewirkt hat. — Seine im Vorworte IV 
Ziff. 1 ausgesprochene Ansicht, dass die Landesherren überhaupt die Befugnis 
zum Erlasse von Rechtsverordnungen — soweit nicht Verfassung oder Ge- 
setze entgegenstehen — haben, ist wohl für Preussen, nicht aber für Bayern 
richtig; es kann also hieraus keine Präsumtion für das Reichsrecht abgeleitet 
werden. — 
ArnpT stellt in der Einleitung fest, dass die Verfassung des nord- 
deutschen Bundes durch Landesgesetze in den einzelnen Staaten verbindliche 
Landesnorm geworden sei, nicht durch völkerrechtliche Verträge, wiederlegt 
insbesondere die Hänetsche Meinung, dass die Bundesverfassung einen für 
das Landesrecht jedes einzelnen Staates unmöglichen Inhalt habe, und nennt 
die Zornsche Lehre, wonach diese Verfassung staatsrechtlich als Gesetz 
oktroyiert sei, unzutreffend und für die Schöpfer derselben kaum verständlich. 
Andrerseits behauptet er gegen SEYDEL, obwohl er die einzelnen Bundes- 
staaten für souverän hält, dass durch die Abschliessung der Bundesverträge 
ein neuer Staatsorganismus mit eigenem, von dem des Schöpfers unabhängigen, 
Willen und eigener Handlungsfähigkeit geschaffen worden sei. Zu der viel- 
umstrittenen Frage, ob das Reich souverän, ob es ein Staatenbund oder 
Bundesstaat sei, nimmt ArnDT keine eigene Stellung ein, da er dieser Kon- 
troverse keine praktische Bedeutung zuschreibt, nur die Hänetsche Annahme 
(Staatsrecht IS. 578) bezeichnet er als unverständlich. Dass die sog. Kom- 
petenz-Kompetenz zur Begründung der Reichssouveränität nicht herangezogen 
werden kann, wie z. B. ZORN meint, hebt Arnpr mit schlagenden Gründen 
hervor. Auffallend ist, dass ARNDT, der soviel auf die Thatsachen und die 
Ansichten der Schöpfer der Verfassung hält, an der Erklärung des Bundes- 
rates vom 5. April 1884 ebenso achtlos vorübergeht, wie andere Staatsrechts- 
lehrer, denen sie nicht für ihre Theorien passt. Gerade Arnpr hätte von 
dieser Erklärung der verbündeten Regierungen aus das Wesen „des neuen 
Steatsorganismus“, welchen das Reich nach seiner Meinung darstellt, in
	        
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