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verbindlichkeit im Sinne der bona fides unter starker Berücksichtigung des
subjektiven Moments (diligentia in concreto).
So im Wesentlichen der Grundgedanke, den StemsacH an der Hand
der verschiedenen Rechtsquellen, namentlich des österreichischen und deutschen
bürgerlichen und Handelsgesetzes, doch auch der Partikulargesetze, des
französischen und römischen Rechts im Einzelnen ausführt. Man wird sich
der anregenden Fruchtbarkeit dieses Grundgedankens erfreuen, auch wenn
men hier und da ein „ja, aber“ nicht abweisen kann. Vor allem erkennt
der Verfasser selbst, dass sein Theilungsexempel durchaus nicht ohne Bruch
rein aufgeht. Das Leben erzeugt gar viele Rechtsgeschäfte, die man nach
Belieben unter die Güteraustausch- wie unter die ÜOrganisationsverträge
bringen kann. Da ist es namentlich die conductio operarum bezw. operis,
die, an sich zweifellos der ersten Kategorie angehörend, dennoch erheblich
in die zweite hineinragt und so eine bedenkliche Grenzverwirrung anrichtet.
Um die Grenze zwischen der Dienstmiethe und dem Beamtenvertrag zu
sichern, ruft der Verfasser LAaBann zu Hilfe, dessen Konstruktion des Staats-
beamtenvertrages er auch auf die privatwirthschaftliche Organisation aus-
dehnt. Immerhin dürfte die Subsumirung der verschiedenen Privatbeamten-
verträge bald als Dienstmiethe unter die Güteraustausch-, bald als Anstellung
unter die Organisationsverträge häufig auf eine petitio principii hinauslaufen.
Ferner ist nicht zu verkennen — und verkennt auch STEIBACH nicht —,
dass die Gesetzgebung unter dem Einflusse der sich wandelnden politischen
und wirtbschaftlichen Anschauungen die Grenzzeichen verrückt, und dass
daher der begrifflich konstruirte Gegensatz kein feststehender ist, sondern
sich thatsächlich im Flusse befindet. Gerade neuerdings tritt, wie auch
STEINBACH bemerkt, in der Gesetzgebung die Tendenz hervor, in solche
Rechtsgeschäfte, die man früher lediglich unter dem Gesichtspunkte des
Güteraustausches behandelt hat, wiederum Elemente der wirtbschaftlichen
Organisation hineinzutragen. Ja, auch innerhalb des unzweifelhaften Gebiets
der reinen Güteraustauschverträge kann die Gesetzgebung und Recht-
sprechung, sei es durch geflissentliche Erweiterung der Begriffe „boni mores“
und „dolus“, sei es durch Spezialbestimmungen, den Gegensatz gegenüber
jener andern Kategorie von Verträgen zu einem höchstens noch quantitativen
herabdrücken. Beispielsweise wird durch ein Gesetz wie das über den „un-
lauteren Wettbewerb“ das reinste Güteraustauschgeschäft, Kauf und Ver-
kauf, weit mehr unter dem Gesichtspunkt des gegenseitigen Vertrauens, als
unter dem des „naturaliter contrahentibus licere se circumvenire“ be-
handelt. Was vollends die Rechtsverhältnisse der gewerblichen Hilfskräfte
betrifft, so ist es unter Umständen Sache der blossen Rechtsprechung,
durch einen etwas stärkeren Druck auf den Hebel der „boni mores“ die
reinste Dienstmiethe in den schönsten Organisationsvertrag zu veredeln.
Bei alledem gibt gerade Sremsach’s Konstruktion einen vorzüglichen
Ausgangspunkt zur kritischen Würdigung der auf diesen Gebieten heute