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Aufsätze.
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Gewohnheitsrecht und Gerichtsgebrauch.
Von
Dr. jur. W. KnıtscHhky, Landgerichtsrath a. D. in Rostock i. M.
I.
Die Lehre vom Gewohnheitsrechte hat in neuerer Zeit die
Aufmerksamkeit wieder mehr auf sich gelenkt und ist von ver-
schiedenen Schriftstellern bearbeitet worden. Freilich haben die
Ergebnisse dieser Forschungen keine allgemeine Anerkennung ge-
funden, vielmehr ist noch heute diejenige Auffassung, welche zu-
erst von SAvIGNY und PucHTA vertreten worden ist, die herr-
schende. Namentlich hält das Reichsgericht an ihr fest und hat
von dem Standpunkte aus, dass das Gewohnheitsrecht aus der
Volksüberzeugung hervorgehe, und dass der Gerichtsgebrauch nur
dann Anspruch auf Beachtung habe, wenn in ihm ein Gewohn-
heitsrecht zu Tage trete, also wenn auch er auf einer Volksüber-
zeugung beruhe, in verschiedenen Fällen die bisherige feste Praxis
der früheren höchsten Gerichtshöfe umgestossen!. Desshalb hat
die Frage, ob diese Anschauungen berechtigt seien, eine erheb-
liche Bedeutung, und es mag ein nochmaliger Versuch, Wesen
! Vgl. vor allem Entsch. in Civilsachen III S. 210, IV S. 133, VOL
S. 235.
Archiv für Öffentliches Recht. XII. 2. 11