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lichen Güterrechtes in Deutschland, welche unmöglich ihren Grund
darin haben kann, dass in allen den zahllosen kleinen Bezirken,
welche eine selbständige Entwickelung dieses Theiles der Rechts-
ordnung aufweisen, örtliche Besonderheiten in wirthschaftlicher,
kultureller u. s. w. Beziehung beständen. Und umgekehrt dürfte
es schwer sein, unter dieser Voraussetzung die Entstehung von
Gewohnheitsrecht in den Provinzen mit gemischter Bevölkerung,
wie etwa Preussen und Posen, zu erklären. Geht aber die Er-
zeugung der Normen von der Gesammtheit der Staatsbürger
aus, so sind innerhalb desselben Gemeinwesens Gewohnheitsrechte,
die an verschiedene Nationalitäten anknüpfen, undenkbar; wie ist
dann aber z. B. das Jahrhunderte lange Fortleben des deutschen
Rechtes in den Östseeprovinzen Russlands zu erklären? Wie
ZITELMANN (a. a. O. 8. 377) bereits hervorgehoben hat, ist denn
auch die Auffassung der Volksüberzeugung oder des Volkswillens
als eines psychischen Gesammtphänomens, auf der die PucHT4-
SavIGnY'’sche Theorie aufgebaut war, wohl bei Vielen heutzutage
verwischt. Dafür lässt sich übrigens auch leicht noch ein weiterer
Grund finden. Da die Gesammtüberzeugung sich denkbarer Weise
nur durch Wort und That Einzelner äussern kann, so liegt es
nahe, unter ihr die Ueberzeugung einer Anzahl von Einzelnen zu
verstehen, bei denen diese Uebereinstimmung nicht ein Werk des
Zufalls ist, sondern sich auf einen Entstehungsgrund zurückführen
lässt, der bei allen gleichmässig vorhanden ist, nämlich auf den
Einfluss, den der Volksgeist auf sie ausübt. Folgerichtig kann
dann eine verbindliche Kraft nur bei solchen Gewohnheiten an-
genommen werden, in denen jener Einfluss zu Tage tritt. Diese
ausschliessliche Betonung des volksthümlichen Elementes in der
Rechtsbildung wird aber der thatsächlich vorhandenen Wirksam-
keit der Individualität der bei der Entstehung eines Gewohnheits-
rechtssatzes Betheiligten nicht gerecht. Gegenstand der Rechts-
überzeugung sind ja allerdings die gegenseitigen Beziehungen der
Menschen, woraus folgt, dass sich im Allgemeinen als Recht nicht