Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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lichen Güterrechtes in Deutschland, welche unmöglich ihren Grund 
darin haben kann, dass in allen den zahllosen kleinen Bezirken, 
welche eine selbständige Entwickelung dieses Theiles der Rechts- 
ordnung aufweisen, örtliche Besonderheiten in wirthschaftlicher, 
kultureller u. s. w. Beziehung beständen. Und umgekehrt dürfte 
es schwer sein, unter dieser Voraussetzung die Entstehung von 
Gewohnheitsrecht in den Provinzen mit gemischter Bevölkerung, 
wie etwa Preussen und Posen, zu erklären. Geht aber die Er- 
zeugung der Normen von der Gesammtheit der Staatsbürger 
aus, so sind innerhalb desselben Gemeinwesens Gewohnheitsrechte, 
die an verschiedene Nationalitäten anknüpfen, undenkbar; wie ist 
dann aber z. B. das Jahrhunderte lange Fortleben des deutschen 
Rechtes in den Östseeprovinzen Russlands zu erklären? Wie 
ZITELMANN (a. a. O. 8. 377) bereits hervorgehoben hat, ist denn 
auch die Auffassung der Volksüberzeugung oder des Volkswillens 
als eines psychischen Gesammtphänomens, auf der die PucHT4- 
SavIGnY'’sche Theorie aufgebaut war, wohl bei Vielen heutzutage 
verwischt. Dafür lässt sich übrigens auch leicht noch ein weiterer 
Grund finden. Da die Gesammtüberzeugung sich denkbarer Weise 
nur durch Wort und That Einzelner äussern kann, so liegt es 
nahe, unter ihr die Ueberzeugung einer Anzahl von Einzelnen zu 
verstehen, bei denen diese Uebereinstimmung nicht ein Werk des 
Zufalls ist, sondern sich auf einen Entstehungsgrund zurückführen 
lässt, der bei allen gleichmässig vorhanden ist, nämlich auf den 
Einfluss, den der Volksgeist auf sie ausübt. Folgerichtig kann 
dann eine verbindliche Kraft nur bei solchen Gewohnheiten an- 
genommen werden, in denen jener Einfluss zu Tage tritt. Diese 
ausschliessliche Betonung des volksthümlichen Elementes in der 
Rechtsbildung wird aber der thatsächlich vorhandenen Wirksam- 
keit der Individualität der bei der Entstehung eines Gewohnheits- 
rechtssatzes Betheiligten nicht gerecht. Gegenstand der Rechts- 
überzeugung sind ja allerdings die gegenseitigen Beziehungen der 
Menschen, woraus folgt, dass sich im Allgemeinen als Recht nicht
	        
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