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gehen, als Zeichen der Verwerfung eines Grundsatzes einen bis
auf’s Aeusserste fortgesetzten Widerstand zu fordern. Sonst gibt
auch derjenige, welcher einem Räuber auf seine Drohungen hin
die Börse ausliefert, dessen Anspruch auf dieselbe zu. Nicht
anders aber liegt die Sache — von seinem Standpunkt aus be-
trachtet — bei dem Revolutionär, wenn er, anstatt mit Daran-
setzung seines Lebens um seine Freiheit zu kämpfen, der Gewalt
weicht und sich in’s Gefängniss abführen lässt. Und enthält diese
einmalige Unterwerfung ein dauerndes, habituelles Verhalten, wie
es BIERLING fordert? Selbst wenn man aber hierin eine Aner-
kennung sehen wollte, so wäre damit eine Rechtfertigung des
Eingreifens der Staatsgewalt erst für die Zukunft gewonnen,
während die Anwendung des Strafgesetzes auf den Widerspänsti-
gen wegen einer vorausgegangenen Handlung immer noch der
Rechtsgrundlage entbehrte.e. Denn sind verbindlich für einen
Staatsbürger nur diejenigen Grundsätze, welche er als Normen
des Gemeinwesens anerkennt, so ist es unzweifelhaft unzulässig,
Regeln, die er gar nicht gelten lassen will, auf ihn anzuwenden
und in dem Unterlassen des Widerstandes gegen diese Behand-
lung eine Anerkennung zu sehen, welche der vorausgegangenen
gewaltsamen Unterwerfung unter jene als Entschuldigung dienen
soll. Noch schwieriger ist vom BiERLINnG@G’schen Standpunkt aus
die Rechtfertigung der Strafbestimmungen, welche gegen die von
Ausländern im Auslande wider unsern Heimathsstaat begangenen
hochverrätherischen Handlungen gerichtet sind. Hier wäre BIER-
LING wohl zu dem Zugeständnisse gedrängt, dass — wenigstens
im Verhältniss zu dem Ausländer — in ihnen überhaupt gar
keine Rechtsnorm enthalten sei, sondern die blosse Ankündigung,
es werde unter gewissen Umständen von der staatlichen Macht
in der und der Weise Gebrauch gemacht werden. Dass aber
der Gesetzgeber diese Auffassung nicht getheilt hat, ergibt sich
meines Erachtens aus der verschiedenen Ausdrucksweise in den
8S 4 unter 11 und 91 Abs. 1 Str.-G.-B. Sollte er aber auch