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in Widerspruch steht, ein innerer Zwiespalt des Willens, den
wir gerade als Unrecht kennzeichnen dürfen. Aber genauere
Betrachtung zeigt, dass der Anerkennungswille hier doch nicht
unverändert bleibt. Anerkennung im BiERLING’schen Sinne ist
ein dauerndes habituelles Verhalten, fordert also, dass die Norm
ausnahmslos zur Richtschnur des Handelns gemacht wird und
nicht bloss nach Willkür bald befolgt wird, bald nicht. Indem
der Wille sich aber auf eine Uebertretung richtet, nimmt er der
Norm diese Bedeutung und setzt reine Willkür an ihre Stelle.
Der Inhalt des Wollens ist also jetzt ein anderer als vorher. Dass
die Norm in Zukunft wieder in Geltung treten soll, ändert hieran
nichts, zur Zeit wird ihre Herrschaft verneint, d. h. die Aner-
kennung ist zur Zeit nicht vorhanden. Damit fällt dann aber
auch der Begriff des Unrechts hinweg, wenn man die Verbind-
lichkeit der Normen ausschliesslich auf ihre Anerkennung durch
die Menschen zurückführt; es ist unerklärlich, wesshalb die Vor-
stellung, dem eigenen Handeln liege ein Satz zu Grunde, der
nicht nur für den einzelnen Fall zutreffe, sondern auch unter
zukünftigen ähnlichen Verhältnissen angewendet werden müsse,
fir den Willen verbindende Kraft haben könne. Solange man
die Anerkennung nur als Thatsache betrachtet, bedarf es einer
näheren Darlegung nach dieser Richtung nicht; will man aber
aus ihr die Geltung des Rechtes ableiten, so muss darüber Auf-
klärung gegeben werden, worauf denn eigentlich die Verpflichtung
zur Befolgung der Rechtssätze sich gründet.
Eine gewisse Aehnlichkeit mit den Anschauungen BIERLING’s
zeigen diejenigen von ZITELMANN (im Arch, f. civil. Praxis Bd. LXVI
S. 447 f.), die sich etwa folgendermassen zusammenfassen lassen:
Die Behauptung, ein Satz (in der weitesten Bedeutung des Wor-
tes) gelte, enthält nicht eine konkrete Vorstellung von etwas
Seiendem, sondern ist ein allgemeines hypothetisches Urtheil
dahin, überall wo und wenn das in der Hypothese Bezeichnete
wirklich ist oder wird, ist oder wird auch das in der These Be-