Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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durch den thatsächlichen Gebrauch der obrigkeitlichen Gewalt 
ohne das Mittel der Einwirkung auf den Willen der Einzelnen 
ein dem Gesetz entsprechender Zustand hergestellt wird. Aeusser- 
lich unterscheidet sich ein so geschaffenes Verhältniss nicht von 
einem gleichartigen, das aus dem freien Willen der Betheiligten. 
hervorgegangen ist. Die eingetretene Wirkung ist überall die- 
selbe: es sind die von der Rechtsordnung gewollten Zustände 
vorhanden, und wir sind daher zu dem Urtheil berechtigt, dass 
die Rechtsordnung gelte. Da aber diese thatsächliche Herrschaft 
des Rechts doch in den meisten Fällen auf dem Willen der die 
Rechtssätze Anwendenden beruht und da weiter das objektive 
Recht meistens seinen Inhalt aus dem entnimmt, was nach der 
allgemeinen Ueberzeugung den Interessen der Betheiligten am 
besten entspricht, so liegt es nahe, diese Ueberzeugung aus der 
übereinstimmenden Regelung einer Menge gleichartiger Verhält- 
nisse abzuleiten. Unter der weiteren Voraussetzung, dass die aus 
dieser Uebung zu erschliessende Norm dieselbe verbindliche Kraft 
hat, wie ein Gesetz, erhalten wir so den Begriff des Gewohnheits- 
rechts, und es kommt dann nur noch darauf an, die Geltung 
des Rechtssatzes in diesem Sinne näher festzustellen, um die Er- 
fordernisse des Gewohnheitsrechts zu kennen. 
Die Geltung als thatsächlicher Zustand kann fortdauern, 
auch wenn die Ursachen, die ihn zuerst hervorriefen, zu wirken 
aufgehört haben, insbesondere wenn der Gesetzgeber, der die 
Rechtssätze geschaffen hat, hinweggefallen ist.. Ganz allgemein 
geht man sogar noch einen Schritt weiter und nimmt an, dass 
es auch so sein müsse, und dass die bisherige Rechtsordnung 
nicht nur thatsächlich, sondern auch von Rechtswegen ihre Herr- 
schaft behalte. Als Beispiel braucht nur erinnert zu werden an 
den Fortbestand des gemeinen Rechts in den 1866 von Preussen 
annektirten Provinzen und des französischen Rechts in Eilsass- 
Lothringen sowie an die T'hatsache, dass die Reichsgesetze auf 
Helgoland erst nach und nach in Kraft gesetzt sind. Und doch
	        
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