Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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ganz anderen Sinne die Rede sein. ‘Wenn wir sagen, dass das 
Bürgerliche Gesetzbuch mit dem 1. Januar 1900 in Geltung 
trete, so meinen wir natürlich nicht, dass sofort mit diesem Tage 
sich alle seine 2385 Paragraphen in konkreten Thatbeständen 
verkörpern werden, vielmehr beginnt nur mit jenem Zeitpunkte 
seine thatsächliche Herrschaft (Geltung in dem vorhin bespro- 
chenen Sinne) sich zu verwirklichen, um dann nach einer längeren 
oder kürzeren Frist zur Vollendung zu kommen. Umgekehrt ist 
der Inhalt des Gesetzbuches schon jetzt feststehend und hieran 
wird sich mit jenem Tage nichts ändern. Was mit ihm eintreten 
wird und zwar sofort in vollem Umfange, ist die Pflicht, den 
Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zu gehorchen; es 
wird von da an die Anforderung an unseren Willen gestellt, unsere 
rechtlichen Beziehungen zu einander nach ihnen zu gestalten. 
Diese Vorschrift lässt sich, wie schon berührt ist, auf Rechts- 
sätze höherer Ordnung zurückführen, in unserem Falle auf die Be- 
stimmungen der Reichsverfassung über das Zustandekommen der 
Reichsgesetze und den in ihnen enthaltenen stillschweigenden 
Befehl, solchen Reichsgesetzen zu gehorchen. Fragen wir nun 
aber weiter, worauf die Verbindlichkeit der Reichsverfassung 
beruht, so hängt die endgültige Antwort hierauf, wie ZITEL- 
MANN zutreffend ausgeführt hat, von metaphysischen Spekulationen 
ab, deren Ergebnisse nie auf allgemeine Anerkennung rechnen 
können und die überhaupt über das Arbeitsfeld der Rechtswissen- 
schaft hinausgehen. Man darf aber andererseits mit ihm und 
RÜMELIN annehmen, dass es für uns Juristen nicht nothwendig 
ist, bis auf die letzten Ursachen zurückzugehen. Wir dürfen 
vielmehr schon solche Anschauungen zum Ausgangspunkte nehmen, 
die allgemein oder wenigstens von einer solchen Anzahl von 
Menschen als richtig anerkannt werden, dass ihre thatsächliche 
Anwendung gesichert ist. Unsere Auffassung von der Geltung des 
Gewohnheitsrechts kann freilich unter diesen Umständen nur einen 
bedingten Werth beanspruchen, sie ist nur zutreffend unter der 
Archiv für öffentliches Recht. XIH. 2. 13
	        
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