— 195 —
als die zu C, auch wenn dieselben thatsächlichen Bedingungen
vorliegen. Ein anderer Zustand ist nur denkbar, wenn die Staats-
gewalt nicht nach vernünftigem Ermessen, sondern nach blosser
willkürlicher Laune gehandhabt wird, und wenn sie in alle einzelnen
Lebensverbältnisse ordnend einzugreifen vermöchte. Die Rechts-
sätze haben aber in erster Linie die Aufgabe, die Menschen
darüber zu belehren, in welcher Art sie die von ihnen selbst
ausgehende Gestaltung ihrer Verhältnisse einzurichten haben.
Diese eigentriebliche Regelung nach Rechtsgrundsätzen ist aber
gar nicht anders möglich, als wenn letztere einen allgemein gül-
tigen Inhalt haben. Daraus folgt, dass die Rechtssätze geeignet
sein müssen, zu gleichmässiger Ordnung der Lebensverhältnisse
verwendet zu werden. Diese Eigenschaft fehlt den Erzeugnissen
machtloser subjektiver Willkür. Es muss also entweder Derjenige,
welcher einen zur Herrschaft bestimmten Satz aufstellt, die Gewalt
haben, seine Befolgung zu erzwingen, oder der Gehorsam muss
durch seine Anerkennung seitens der ihm Unterworfenen gesichert
sein. Eine Aufrechterhaltung der Rechtsordnung bloss durch
physische Gewalt kommt thatsächlich nicht vor und ist unmög-
lich. Insofern muss man also BIERLING zustimmen, wenn er ihre
Geltung auf eine Anerkennung zurückführt. Aber diese braucht
nicht von allen Denjenigen auszugehen, für die der Rechtssatz
gelten soll, sondern nur von einer genügend grossen Zahl der-
selben, sodass die Macht vorhanden ist, etwa Widerstrebende
zur Unterwerfung zu nöthigen und die allgemeine Herrschaft des
Satzes durchzuführen. Die Anerkennenden brauchen auch durch-
aus nicht stets dieselben Personen zu sein, vielmehr können für
einen Rechtssatz a A, B,C...R, S, T eintreten, während
U... Z ihm widerstreben, für den Rechtssatz b dagegen B, U,
D...S, T, U, während A und V...Z die Opposition bilden
u. 8, w.
Auf diese Weise wird durch Anerkennung oder Macht oder
meistens durch Anerkennung und Macht die Herrschaft der
13*