Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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Rechtssätze, ihre Geltung (als thatsächlicher Zustand gedacht) 
hergestellt. Woraus aber leiten die Anerkennenden ihre Befug- 
niss ab, den Nichtanerkennenden gegenüber die Rechtssätze mit 
Gewalt zur Anwendung zu bringen? 
Jeder Verpflichtung entspricht eine Befugniss Desjenigen, 
dem gegenüber erstere besteht. Regelmässig findet dasselbe Ver- 
hältniss zwischen beiden auch nach der umgekehrten Richtung. 
hin statt, aber nicht ausnahmslos. Wer sich im Nothstande be- 
findet, hat die Befugniss, das zur Rettung seines bedrohten Gutes 
Erforderliche zu thun, aber der Gegner hat nicht die Verpflichtung, 
die durch die Schutzmassregel herbeigeführte Verletzung seines 
eigenen Gutes zu dulden, sondern darf, um letzteres zu erhalten, 
seinerseits das Gut des Andern vernichten. Werden nun durch 
die Macht der Verhältnisse Beziehungen zwischen Menschen her- 
vorgerufen, die nicht dieselben Rechtsgrundsätze anerkennen, so 
befindet sich Jeder von ihnen, da doch irgend eine Ordnung der 
Beziehungen erfolgen muss, gleichsam in einem Nothstande und 
darf seiner Auffassung auch gegen den Willen des Anderen. Gel- 
tung verschaffen. An diesem Ergebnisse braucht uns auch der 
Umstand nicht irre zu machen, dass ein unparteiischer Dritter viel- 
leicht die von dem schwächeren Betheiligten vertheidigten Grund- 
sätze für gerecht, diejenigen des stärkeren für ungerecht erachtet. 
Denn dieses Urtheil wäre für Letzteren nur dann massgebend, 
wenn ihm dessen Richtigkeit in überzeugender Weise bewiesen 
würde, oder wenn der Dritte eine massgebende Autorität über 
‚jene Beiden besässe; in diesem Falle würde aber auch der voraus- 
gesetzte Nothstand nicht vorliegen. In Beziehungen zu Anderen 
zu treten, ist aber nicht etwas,. was wir willkürlich thun oder 
unterlassen könnten; es ist vielmehr undenkbar, dass die Men- 
schen als Einsiedler neben einander leben, die Verhältnisse bringen 
mit unabweislicher Nothwendigkeit Berührungen zwischen ihnen 
hervor, die: einer rechtlichen Ordnung bedürfen. Daher muss 
vielfach die letzte Entscheidung durch die Macht des Stärkeren
	        
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