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nommen wurde, die Anerkennung der consuetudo im gerichtlichen
Verfahren zur Voraussetzung ihrer Wirksamkeit macht, erhellt
aus dem Wortlaut wie aus logischen Gründen und wird daher
heutzutage auch nicht mehr bestritten. Die Aussprüche der
Quellen, welche die Geltung des Gewohnheitsrechts auf einen
consensus populi zurückführen, enthalten nach der zutreffenden
Bemerkung von WenDT (a. a. O. S. 325) Dogmen und nicht
Rechtssätze ®®. Ob dasselbe von fr. 39 D. eodem zu sagen ist,
kann dahingestellt bleiben, da diese Stelle nach der richtigen,
auch von ZITELMANN (a. a. O. S. 344 ff.) vertheidigten Erklärung
nur die analoge Verwendung dessen „quod non ratione intro-
ductum, sed errore primum, deinde consuetudine optentum est“
verbietet, nicht auch ausspricht, dass ein Gewohnheitsrecht nicht
auf Irrthum beruben dürfe. Die c. 2 Cod. quae sit longa cons.
8, 52 kann allerdings wohl kaum als Dogma bei Seite geschoben
werden, ist aber insoweit sie die derogatorische Kraft des Ge-
wohnheitsrechts gegenüber dem Gesetz leugnet, nicht mehr prak-
tisch ®*, wegen des weiter in ihr aufgestellten Erfordernisses der
Rationabilität vgl. am Schlusse dieses Abschnittes. Gesetze des
alten Deutschen Reiches betreffen die Erfordernisse des Gewohn-
heitsrechts nur insofern, als wiederholt die Beachtung „redlicher,
erbarer“ Gewohnheiten?®, oder wie die gleichbedeutenden Aus-
drücke sonst lauten, den Richtern zur Pflicht gemacht wird;
sie stimmen also inhaltlich mit der c. 2 überein und brauchen
vorläufig nicht besprochen zu werden. Würde man sich aber
selbst auf einen anderen Standpunkt stellen und annehmen, dass
alle angeführten Stellen echte Rechtssätze enthalten, so würde
man durch sie doch nicht einer Erforschung der Bedingungen
des Gewohnheitsrechts auf Grundlage seines Begriffes überhoben
8 In Betracht kommen $$ 9 und 11 J. de iure nat. 1, 2; fr. 32 81
und fr. 35 D. de legibus 1, 3. ‘
% Vgl. oben Anm. 28.
8 Vgl. Anm. 2—4.