Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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Behauptet wird ihr Vorkommen von einigen Seiten, es ist aber 
nicht unbestritten. Auf diese Zwiespaltigkeit der Ansichten darf 
Gewicht gelegt werden. Eine sich für die Zulässigkeit aus- 
sprechende einstimmige Meinung in Wissenschaft und Recht- 
sprechung würde zwar nicht als Rechtssatz bindende Bedeutung 
haben, jedoch ein unzweifelhaftes Zeugniss für eine thatsächliche 
Erscheinung bilden, die durch Ableugnung nicht aus der Welt 
geschafft würde. Da es aber eben hieran fehlt, sind wir befugt, 
die Frage in Gemässheit der von uns für richtig gehaltenen An- 
sicht von dem Wesen und dem Grunde der verpflichtenden Kraft 
des Gewohnheitsrechts zu beantworten. Wir haben nun die sitt- 
liche Pflicht, sich der bestehenden Gewohnheit zu fügen, auf die 
Bedürfnisse des Zusammenlebens der Menschen und auf den 
Zweck, für gleiche Verhältnisse eine gleiche Ordnung herzustellen 
und dem Verkehre Sicherheit zu verleihen, zurückgeführt. Von 
einem allgemein herrschenden Rechtsgedanken ist ja aber hier 
gar nicht die Rede, also auch nicht von einer Verbindlichkeit, 
sich ihm zu unterwerfen. Und die Rücksicht auf den Frieden 
unter den Rechtsgenossen erfordert schwerlich die Annahme 
eines besonderen Rechtssatzes nur wegen der T'hatsache des 
langen Bestandes eines Verhältnisses, wo dessen Ordnung nach 
einer allgemeinen Vorschrift sehr wohl möglich, also auch zunächst 
geboten ist und sich nicht einmal eine rechtliche Vermuthung für 
die gesetzmässige Entstehung des bisherigen Zustandes begründen 
lässt. Auch hier kämen wir ferner zu einer ungerechtfertigten 
Ausdehnung der Befugniss zur willkürlichen Regelung der Be- 
ziehungen zweier oder doch ganz weniger Menschen, auch hier 
werden also die schon oben gegen sie geltend gemachten Be- 
denken von Bedeutung. Anders liegt dagegen die Sache, wenn 
+4 Winnoscheip I $ 136 Anm. 3, REGELSBERGER an den eben ange- 
führten Stellen. Die in $ 30 Anm. 9 angeführten Belege aus der Recht- 
sprechung gehören nur zum Theil hierher, zum Theil schon zum fol- 
genden. 
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