Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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an dem Herkommen entweder als Berechtigte oder als Ver- 
pflichtete eine unbestimmte Anzahl von Menschen betheiligt sind, 
mag ihnen auch auf der anderen Seite nur ein Einzelner gegen- 
überstehen. Die praktische Wichtigkeit der Frage, ob eine der- 
artige Observanz als Verjährung oder als ein objektiver Rechts- 
satz aufzufassen ist, tritt recht deutlich in dem in den Entschei- 
dungen des Reichsgerichts Bd. XXV S. 312 behandelten Rechts- 
falle hervor. In einer Kirchengemeinde ruhte die Pflicht zur Unter- 
haltung des Kirchhofes als dingliche Last auf allen Grundstücken 
der Gemeinde ohne Rücksicht auf das Bekenntniss der Besitzer. 
Liegt hier ein Gewohnheitsrechtssatz vor, so wird er auch an- 
wendbar, wenn bei einer Veränderung der Kirchspielsgrenzen neue 
Grundstücke in den Rechtskreis eintreten, und umgekehrt aus- 
scheidende Grundstücke werden frei. Ist die Entstehung der 
Last dagegen unter den Gesichtspunkt der Existenz oder Ver- 
jährung zu bringen, so bestehen Rechtsverhältnisse zwischen der 
Kirche und den bestimmten Grundstücken, und die Entscheidung 
muss in den beiden erwähnten Beziehungen entgegengesetzt aus- 
fallen. Zu einem angemessenen Ergebnisse dürfte aber nur die 
erste Auffassung führen. Bei einer unbestimmten Mehrheit von 
Betheiligten liegt nicht bloss ein subjektives Recht oder eine 
Verpflichtung vor, da die neu eintretenden Mitglieder ihre Be- 
fugnisse oder Verbindlichkeit nicht kraft Rechtsnachfolge erwerben. 
Daher kann auch weder die Berufung auf unvordenkliche Ver- 
jährung noch auf observanzmässige Vereinbarung zum Ziele führen. 
Wollen wir den bisherigen Zustand schützen, so bleibt vielmehr 
nur der Gesichtspunkt des Gewohnheitsrechts übrig. Und dieses 
enthält hier keinen Individualrechtssatz, schafft nicht unmittelbar 
das Rechtsverhältniss, sondern gibt nur die Grundsätze an, nach 
denen es begründet werden kann. Endlich ist der in dem Her- 
kommen enthaltene Rechtsgedanke ein allgemein herrschender, 
insofern ausser der an sich schon grösseren Anzahl der Bethei- 
ligten auch noch die zukünftigen Rechtssubjekte in Berücksich-
	        
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