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die Nichtwählbarkeit von Priestern ins Parlament hat der. Staat
Bollwerke gegen den klerikalen Einfluss aufgerichtet; vorerst hält
das Papsttum selbst auch noch an dem Prinzip der Nichtbeteili-
gung der Anhänger des Papstes an der Politik fest: wie diese
Dinge in der Zukunft sich gestalten werden, entzieht sich jeder
Berechnung; dass in diesem Punkte eines der gefahrvollsten Pro-
bleme für die italienische Staatsentwickelung liegt, kann keinem
der Geschichte Kundigen zweifelhaft sein. — Eine weitere, inner-
lich nicht überwundene Schwierigkeit liegt in den Gegensätzen
der Bevölkerung. In Mittel- und Süditalien, besonders in Sizilien,
sind die geheimen Gesellschaften noch heute eine bedeutende,
den Staat gefährdende Macht (S. 226ff.); von der Mafıa und
Camorra ist, wie die Erfahrung beweist, der Weg zur Räuber-
bande nicht weit. Diese Anarchie zu überwinden ist der Staats-
gewalt bis jetzt nicht gelungen. Selbstverständlich muss es als
Ehren- wie als Existenzpflicht des Staates Italien erachtet werden,
diesem mittelalterlichen Unwesen mit starkem Arm ein definitives
Ende zu bereiten. Bevor dies erreicht ist, werden die italienischen
Staatszustände niemals als geordnete betrachtet werden können.
Bei der Erörterung der Staatseinrichtungen Italiens betont
Verf., wie das Königtum insofern einen rein parlamentarischen
Charakter trage, als die Sanktion vom Parlament beschlossener
Gesetze, ebenso wie in England, nie verweigert werde (S. 152);
wie aber andererseits das Königtum seine staatsrechtliche Selb-
ständigkeit sowohl durch wiederholte Auflösung des Parlamentes
als durch freie Wahl der Minister unabhängig von Parlaments-
majoritäten bewährt und bewahrt habe (S. 153). Die Festigkeit
der Armee (S. 219°) sowie die, dem französischen Vorbild nach-
geahmte Organisation der Verwaltung in den Provinzen (S. 169)
bilden weitere erfreuliche Momente in der Betrachtung der ita-
lienischen Staatseinrichtungen. Auch Italien hält an dem, wie
Verf. meint, der lateinischen Rasse tief eingeprägten Grundsatz
fest, dass die ordentlichen Gerichte keine Kognition über die