Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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des Volkes und darum vom Nationalrat, in dem diese Souveränetät 
ihren direkten Ausdruck findet, überschattet wird. 
Zwei Punkte bilden den ganz besonderen Gegenstand des 
Interesses unseres Verf.: das Referendum und die Gestaltung 
und Entwickelung des bundesstaatlichen Gedankens in der Schweiz. 
Das Referendum beherrscht jetzt, sei es in obligatorischer, 
sei es in fakultativrer Form die schweizerische Bundes- wie Kan- 
tonalgesetzgebung; nur „the strongly Oatholic and reactionary“ 
Freiburg hat kein Referendum (II S. 251). Die Ergebnisse der 
Volksabstimmungen über Gesetze sind sehr merkwürdig: fast 
regellos wird ein Gesetz gebilligt, das andere niedergestimmt; in 
einem Jahre niedergestimmt wird ein Gesetz einige Jahre später 
angenommen. Politiker und Gelehrte zerbrechen sich die Köpfe, 
um einen leitenden Grundsatz für das Verhalten des Souveräns 
zu finden (II S. 255ff.).. Vergeblich. Nur Eines steht fest: es 
werden weit mehr Gesetze verworfen als angenommen. Das Re- 
ferendum wirkt mässigend, ja hemmend für die Gesetzgebung; 
das Volk, der Souverän, ist weit konservativer als seine Ver- 
tretungen (II S. 265). Als das Ergebnis strenger verstandes- 
mässiger Erwägung erscheint dies Verhalten des Volkes natürlich 
nicht; mindestens die Hälfte der Abstimmenden ist ja gar nicht 
fähig, in eine solche Erwägung einzutreten; aber der Bauer, der 
sich gestern auf dem Markt über die niedrigen Viehpreise ge- 
ärgert hat, stimmt heute über das vorgelegte Gesetz, das er gar 
nicht gelesen hat, mit Nein; und im nächsten Augenblick wählt 
er wieder denselben Vertreter, dessen Gesetz er eben verworfen 
hat (II S. 323)! 
Das Referendum ist eine höchst merkwürdige, viel erörterte 
und dieser Erörterung unseres Erachtens auch durchaus werte 
Institution. Die Logik der Volkssouveränetät zwingt zum Refe- 
rendum und zwar zum obligatorischen. Dass damit die Arbeit 
der Wissenden an die Willkür der Unwissenden erbarmungslos 
ausgeliefert wird, ist unbestreitbar (II S. 275). Das ist aber
	        
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