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mehr oder minder auch bei allen Wahlen von Volksvertretern der
Fall, und beim System des allgemeinen und geheimen Wahlrechts
ist unseres Erachtens in viel gefährlicherer Weise die Herrschaft
der Unwissenden über die Wissenden zum Grundsatz erhoben,
So regellos und willkürlich die statistischen Ergebnisse des Re-
ferendums in der Schweiz sind, so hat sich dasselbe doch that-
sächlich als ein überaus wirksames Hilfsmittel gegen übereilte
(zesetzesexperimente und zugleich als Erziehungsmittel für Be-
hörden und Volksvertretungen erwiesen. Ein Unsegen war das
Referendum bis jetzt für die Schweiz gewiss nicht. Für seine
Union lehnt unser Verf. das Referendum für die ordentliche Ge-
setzgebung — für Verfassungsgesetze besteht es auch in der
Union — ab wegen der hier viel komplizierteren Aufgaben der
Gesetzgebung (II S. 296ff., 298), eine Begründung, die Ref. weder
für zutreffend noch für durchschlagend halten kann; auch in der
Schweiz und überall ist die Gesetzgebung „a very intricate
matter“ und „requires a great deal of careful study“.
Hinsichtlich der Entwickelung des Bundesstaatsgedankens in
der Schweiz giebt Verf. interessante vergleichende Bemerkungen
für den eidgenössischen, den nordamerikanischen und den deut-
schen Bundesstaat. Als besonders charakteristisches Moment für
das Verhältnis der Kantone zum Bund hebt er mit Recht hervor
(II S. 221), das jede neue Kantonalverfassung oder Abänderung
einer solchen der Zentralgewalt des Bundes zur Genehmigung
unterbreitet und diese versagt werden muss, wenn ein kantonaler
Rechtssatz den Einzelvorschriften oder den republikanischen Prin-
zipien der Bundesverfassung widerspricht. Stärker kann äusserlich
das essentielle Begriffsmoment des Bundesstaates: die Souveränetät
der Zentralgewalt über die Bundesglieder nicht zum formal-
juristischen Ausdruck gebracht werden. Die Zusammenfassung
von Staatsgebilden zum Bundesstaat ist immer eine Zusammen-
fassung zu erhöhter Kraft und Macht, demgemäss immer ein
ungeheurer Fortschritt der Staatsentwickelung. Von dieser Idee