— 271 —
ist auch die Staatsgeschichte der Schweiz beherrscht und Träger
der Idee waren und sind in erster Linie die deutschen reformierten
Kantone der Schweiz, vor allem Bern und Zürich, indes die
katholischen Kantone sowie die französische Schweiz, vor allem
Waadt, sich der fortschreitenden Zentralisation widersetzen. Die
verfassungsmässige Gestaltung des schweizerischen Bundesstaates
ist im wesentlichen die des deutschen; der schweizerische Bundes-
staat — seit 1848 — ist älter als der deutsche und hat un-
verkennbar stark auf die Gestaltung des letzteren eingewirkt,
indes die Entwickelung des deutschen Bundesstaates wieder auf
diejenige des schweizerischen eingewirkt hat. Der Grundgedanke
dieser Entwickelung war, mehr und mehr hervortretend, dass die
Zentralgewalt die Gesetzgebung, die Einzelstaaten die Exekutive
haben — „instead of assigning to the federal and state govern-
ments separate spheres of action, the Swiss like the Germans
have combined legislative centralization with administrative de-
centralization, the federal laws beeing carried out as a rule by
the cantonal authorities* (IT S. 185) — ein Gedanke, der der
nordamerikanischen Entwickelung völlig fremd ist, aber doch auch
die schweizerisch-deutsche nicht so ausschliesslich beherrscht, dass
man, wie LABAND will, darin das eigentliche Merkmal des Bundes-
staatsbegriffes sehen dürfte; im Hinblick auf die grossen Ver-
waltungszweige der Marine, des Auswärtigen, der Post- und Tele-
graphenverwaltung, die sich in der „eigenen und unmittelbaren
Verwaltung“ des Reiches wie der Eidgenossenschaft befinden, ist
jener Satz nicht einmal „as a rule“ anzuerkennen. Im übrigen
ist die Gesetzgebung die oberste Funktion des Staates und die
zentrale Bundesgesetzgebung ist im schweizerischen wie im deut-
schen Bundesstaat weit ausgedehnter als im nordamerikanischen
(II S. 187) und unzweifelhaft noch in fortschreitender Ausdehnung
begriffen. —
Das meiste Interesse bieten dem deutschen Leser die Er-
örterungen des Verf. über die deutschen Staatsverhältnisse im