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zeugend nach, dass die Unterscheidung der erworbenen und auf Gesetzen
beruhenden Rechte unhaltbar ist: es gibt nur bestehende oder auch schlecht-
hin subjektive Rechte. Was diese angeht, so fehlt es an einer gesetzlichen
oder gewohnheitsrechtlichen Basis, die es gestattete, sie als unverletzlich hin-
zustellen, wenn Eingriffe durch höhere Rücksichten des Gemeinwohls ge-
fordert werden. Es wird das für Privatrechte und für öffentliche Rechte in
klarer und überzeugender Weise auf Grund des in Deutschland geltenden
‘Rechts nachgewiesen. Selbst ein allgemeiner Entschädigungsanspruch hat in
den Gesetzen nicht unbedingte Anerkennung gefunden. Ausführlichere Dar-
stellung finden insbesondere die Eingriffe, die durch Eisenbahnverstaat-
lichungen und Stadterweiterungen bedingt sind. Völlig in den Hintergrund
tritt der Gesichtspunkt der Unverletzlichkeit im öffentlichen Rechte. Nur
Einer ist im Staate vorhanden, dem die staatsrechtliche Stellung nicht ohne
seine Zustimmung genommen werden darf, der Monarch. Was die Ent-
schädigung beim Eingriff in Öffentliche Rechte von vermögensrechtlichem
Werth angeht, so spricht der Verf. den Benachtheiligten einen formellen
Rechtsanspruch ab, findet aber, dass in gewissen Fällen, z. B. bei Beseiti-
gung der Grundsteuerfreiheit materielle Gründe dringend für Gewährung
einer solchen sprächen. So schliesst die Untersuchung wesentlich negativ,
indem sie überall nur relative Unverletzlichkeit erworbener Rechte anerkennt,
im Interesse der fortschreitenden Bedürfnisse des Staates und der Gesellschaft.
Man wird den Ausführungen des Verf. im Allgemeinen zustimmen
müssen und zugeben, dass er die Auffassung vom Verhältniss des Staates zum
subjektiven Rechte, wie es die Praxis der Gesetzgebung und Verwaltung des
deutschen Staates zum Ausdruck bringt, klar formulirt hat. Nur scheint der
häufig dem Verf. unter die Feder kommende Begriff der Gerechtigkeit
darauf hinzuweisen, dass es an der Zeit sein möchte, einmal allgemeingültig
zu untersuchen, in welchem Sinne wir denn überhaupt von Gerechtigkeit im
Staatsleben sprechen.
Heft 3. Dr. Georg Jellinek, Professor der Rechte in Heidelberg, Die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Ein Beitrag
zur modernen Verfassungsgeschichte VII u. 53 8. M. 1.40.
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die nicht nur für
Frankreich selbst so grosse praktische Bedeutung in der Revolution gewonnen
hat, sondern auah für die Grundrechte in den deutschen Verfassungen vor-
bildlich geworden ist, hat, wie der Verf. einleitend bemerkt, wohl historische
und politische Erwägungen lebhaft angeregt, ist aber in ihrer rechtsgeschicht-
lichen Bedeutung noch nicht genügend beachtet worden. Man hat sich meist
damit begnügt, den contrat social als Anstoss, die Unabhängigkeitserklärung
der 13 vereinigten Staaten von Nordamerika als Vorbild der Erklärung an-
zunehmen. Die interessante Schrift weist nun durchaus überzeugend nach,
wie diese Annahme auf kaum begreiflichen Irrthümetn beruht: dem Miss-