— 405 —
ursachte, wurde die irrthümliche Annahme einer Pflicht nicht als
Entschuldigungsgrund angesehen. Es ist zweifelhaft, ob ein Unter-
gebener durch prima facie gehörige und rechtmässige Spezial-
weisungen seines Vorgesetzten entlastet wird. Durch besondere
Gesetze ist bestimmt worden, dass der Ohefkommandeur einer
überseeischen Kolonie, sowie ausserhalb Grossbritanniens in einer
militärischen Eigenschaft verwendete Staatsdiener vor den bürger-
lichen Gerichten in England verfolgt werden können, falls sie
strafbare Handlungen in ihren Dienstbezirken begehen. Die
kriminelle Haftung der Mitglieder eines Militärgerichts und des
vollstreckenden Offiziers ist im Uebrigen bisher wenig untersucht
worden.
Damit dürfte das englische Militärstrafverfahren in seinen
Hauptzügen geschildert sein. Ein Zustand, welcher weder Frieden,
noch Krieg ist, — der sog. Belagerungszustand — ist im eng-
lischen Recht nicht vorgesehen; dasselbe rechnet nicht mit der
Möglichkeit eines Bürgerkrieges und schweigt über den gedachten
Ziwischenzustand. Vom rechtlichen Standpunkte betrachtet, kann
in England nur Frieden herrschen, dessen Verletzung mit bürger-
lichen Strafen bedroht ist. Wenn in früheren Zeiten in England
sog. „Martial Law“ proklamirt worden ist, so lag darin nur eine
amtliche Mittheilung, dass im Hinblick auf die obwaltenden Ver-
hältnisse zum Schutze des öffentlichen Friedens die Anwendung
von Gewalt gerechtfertigt erschien; eine Suspension der bürger-
lichen Gerichte und eine Substituirung der Militärgerichte war
damit nicht verbunden. Allerdings hat England Zeiten gekannt,
in welchen man versucht hat, an einem Aufstande betheiligte
Personen von den Militärgerichten nach Militärrecht aburtheilen
zu lassen, und in Irland hat sogar die Gesetzgebung zeitweise
ein derartiges Verfahren sanktionirt. In England selbst ist es
jedenfalls bei blossen Versuchen geblieben. Die englischen Militär-
gerichte können nur über Personen zu Gericht sitzen, welche die
Army Act dem Militärrecht unterwirft. Ebenso fehlt es in Eng-