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Dabei ist, unter Vorbehalt näherer Ausführung dieses Punktes
weiter unten im Abschnitt III, selbstredend zuzugeben, dass der
späteren Vereinbarung zwischen den früheren Rezessbetheiligten,
gewisse einschlagende Rechte sollten aufhören oder neu entstehen,
oder der Entstehung von abweichenden oder neuen Rechten
durch Ersitzung?® ebensowenig, wie bei einem dem Rezessinhalte-
etwa entsprechenden (dispositiven) Gesetze, der Boden entzogen
ist. Immer ist aber zu bevorworten, ‘dass deren privatrechtliche
Wirkung nur unter Berücksichtigung jener behördlich, staats-
seitig gesetzten Grundlage beurtheilt werden darf; und so auch
im Prozesse, wo nach der im Allgemeinen maassgeblichen Ver-
fügungsfreiheit der Parteien eine gleich unzulässige Verschiebung
ihrer durch Rezess festgelegten Rechtsverhältnisse sonst eintreten
könnte.
Ein derartiges Hineinragen des öffentlichen Rechts in den
Civilprozess — wenn dieses Bild gestattet ist — mag ja zunächst
auffällig erscheinen. Je mehr aber in neuerer Zeit dessen eigent-
liche Bedeutung und Macht erkannt und verstanden wird, und sie
die einseitig-privatrechtliche Anschauungsweise verdrängt, um so
weniger wird sich ein stichhaltiges Bedenken dagegen finden
lassen, und um so weniger wird man geneigt sein, einen solchen
Satz durch Hindernisse, die die rein privatrechtliche Betrachtung
dabei entgegenzustellen scheint, verkümmert zu sehen. Und wenn
die Wissenschaft, besonders in den werthvollen Arbeiten O, v. Bü-
Low’s gerade auch das öffentliche Recht des Civilprozesses
selbst aus der Ueberschüttung mit privatrechtlichen Anschau-
ungen wieder hat herausarbeiten müssen, so hätte man hier nur
noch einen weiteren Schritt zu thun, nämlich neben den angeb-
lich allein maassgebenden Satz, dass das Vorbringen der zur
richterlichen Entscheidung zu stellenden Behauptungen lediglich
28 TJrtheil des Reichsgerichts vom 31. März 1882 in GrucHor's Bei-
trägen Bd. XXVI S. 1052 und vom 27. Sept. 1893 (V. Senat) in den „Ent-
scheidungen“ Bd. XXXI S. 327.