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Präsumption. Giebt z. B. die Gesetzgebung eines Staates den
im Auslande befindlichen Gesandten das Recht, Eheschliessungen
der eigenen Staatsangehörigen vorzunehmen, verweigert jedoch
der Empfangsstaat die Konzession hiezu, indem er generell
oder absolut vorschreibt: Eheschliessungen innerhalb des Staats-
gebietes können giltig nur vor dem Standesbeamten erfolgen,
so muss jene vom Absendestaat seinen Gesandten gesetzlich
erteilte Fakultät ein Vakuum bleiben.
Die Frage, ob im internationalen Verkehr auch die zwischen
Landesangehörigen und Landesfremden vor einem diplomatischen
Agenten oder Konsul abgeschlossenen Ehen als giltig betrachtet
werden können, wird fast von allen Schriftstellern übereinstimmend
verneint, Eine abweichende Ansicht vertreten Pıc (a. a. O.p. 110)
und SALEM (Journal XVIp. 383 und XVII p. 446) bezüglich der
in den orientalischen Staaten abgeschlossenen Ehen.
Das einzige Argument, sagt Pıc, welches gegen die Aus-
dehnung der Zuständigkeit diplomatischer Agenten und Konsuln
auf die Vornahme von Eheschliessungen zwischen Landesangehö-
rigen und Landesfremden spricht, ist die staatliche Souveränität.
Dieses Argument ist aber für die Verhältnisse ‘in den orientali-
schen Staaten wertlos, angesichts der fast vollständigen Negation
der territorialen Souveränität gegenüber den Europäern infolge
der bestehenden Verträge.
SALEM nimmt an, dass diese Ehen auf grund der Regel
locus regit actum überall als giltig zu erachten seien, weil die
türkischen Behörden auf grund der für sie geltenden Gesetze sich
jeder Einflussnahme auf die von Ausländern christlicher Kon-
fession abzuschliessenden Ehen enthalten und sie als giltig an-
erkennen, wenn der Konsul, vor dem die Ehe geschlossen wird,
hiezu gehörig ermächtigt war.