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S 3. Theoretische Begründung.
I.
Der Abschluss einer Ehe vor diplomatischen Agenten und
Konsuln setzt die Möglichkeit einer Eheschliessung in einer
anderen als der den Gesetzen des Eheschliessungsortes ent-
sprechenden Form voraus. Dass jeder Staat seinen Angehörigen
und auch den Angehörigen dritter Staaten den Abschluss einer
Ehe im Auslande in der seinen (iesetzen entsprechenden Form
gestatten kann, darüber besteht kein Zweifel. Ebensowenig unter-
liegt es einem Zweifel, dass der Staat mit einer diesbezüglichen
Bestimmung nur die Verpflichtung übernimmt, innerhalb seiner
territorialen Machtsphäre den Bestand dieser Ehen zu schützen,
dass er aber keine Sicherheit für die allgemeine Anerkennung
dieser Ehen seitens des Eheschliessungsstaates, wie seitens sämt-
licher dritter Staaten zu bieten vermag.
Ob nach den Grundsätzen des internationalen Rechts die
in einer anderen als der den Gesetzen des Eheschliessungsortes
entsprechenden Form abgeschlossenen Ehen überall als giltig zu
erachten sind, entscheiden die Gerichte eines jeden Staates nach
dem für sie massgebenden positiven Rechte, in erster Linie nach
den ausdrücklichen diesbezüglichen Bestimmungen und, soweit
solche fehlen, nach Grundsätzen, welche sich direkt oder indirekt
aus einzelnen positiven Rechtssätzen oder aus dem allgemeinen
Zusammenhang, dem Sinn und Geist der Rechtsordnung ergeben.
Die Antwort, welche auf die angeregte Frage an dieser Stelle
gegeben wird, hat daher praktische Bedeutung nur soweit, als die
Erwägungen, auf welche sie sich stützt, mit ausdrücklichen Be-
stimmungen oder auch nur dem Geiste einer Rechtsordnung zu
vereinbaren sind.
Der Satz, dass ein Rechtsgeschäft in der Regel dann überall
als giltig zu betrachten ist, wenn beim Abschluss desselben die
Gesetze des Ortes beobachtet worden sind, in welchem dasselbe
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