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dings eine Strömung geltend, welche die Privilegien der Ex-
territorialität zu beschränken oder völlig aufzuheben sucht. Der
Ausdruck Exterritorialität wird von einer überwiegenden Mehr-
zahl von Schriftstellern nur mehr als gemeinsame Bezeichnung
für eine Reihe einzelner Privilegien angewendet, welche für ge-
wisse Personen eine völkerrechtliche Ausnahmestellung begründen.
Wenn trotzdem auch die Vertreter dieser Ansicht von einem
Rechte der Exterritorialität sprechen, so geschieht es miss-
bräuchlich, der Kürze der Redewendung wegen. Man versteht
darunter nicht ein Recht in seinen verschiedenen Verzweigungen,
sondern eine Reihe einzelner Rechte und bezeichnet als exterri-
torial solche Personen und Sachen, bezüglich welcher eine ge-
wisse Summe solcher Rechte anerkannt ist.
Die Idee, welche diese einzelnen Rechte verbindet, ist die
einer Ausnahme, eines Gegensatzes gegenüber der Unbeschränkt-
heit und Ausschliesslichkeit der territorialen Souveränität. Diese
Idee wird aber nicht gegenüber allen als exterritorial bezeich-
neten Personen und Sachen gleichmässig zur Anwendung ge-
bracht, sie beherrscht den völkerrechtlichen Verkehr der Staaten
in verschiedenen Fällen in verschiedener Weise. Andererseits
liegt sie unverkennbar gewissen, allgemein anerkannten Privi-
legien zugrunde, ohne dass man deswegen von Exterritorialität
sprechen würde.
Es lässt sich daher auch Begriff und Inhalt der Exterri-
torialität nicht allgemein bestimmen, sondern nur jeweils für die
einzelnen Fälle, in welchen ein Recht der Exterritorialität an-
genommen wird. Die fremden Souveräne, die diplomatischen
Agenten, die Konsuln, die Europäer überhaupt im Orient, die
Kriegsschiffe in fremden Häfen, Truppen während ihres Aufent-
halts auf fremdem Gebiete geniessen unter dem Gesichtspunkte
der Exterritorialität eine Reihe unter sich verschiedener Rechte,
die eben nur das gemeinsam haben, dass sie sich im Gegensatz
zur territorialen Staatsgewalt in ihrer Ausschliesslichkeit stellen.