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Einquete folgten Beratungen des Staatsrates, und noch im März
desselben Jahres trat in Berlin eine internationale Arbeiter-
schutzkonferenz zusammen.
Der offizielle Name „Arbeiterschutzkonferenz“ weist un-
zweideutig auf deren Zwecke und Aufgaben hin; und wenn man
im Programm unter II die Regelung der Sonntagsarbeit in Aus-
sicht genommen sieht, so darf man daraus beileibe nicht etwa
schliessen, dass sich die Arbeiterschutzkonferenz auch mit dem
Schutze der kirchlichen Sonntagsfeier hätte befassen wollen. Das
Schlussprotokoll erklärt vielmehr ausdrücklich und unzweideutig
den Zweck der Konferenz mit den Worten:
„Es ist wünschenswert, dass den geschützten Personen
wöchentlich ein Ruhetag gesichert werde®*,
während erst an dritter Stelle® es als wünschenswert erklärt
wird, dass dieser Ruhetag auf den Sonntag festgesetzt werden
möge.
Diese geschichtliche Darstellung erscheint uns als wesentlich
notwendig zur Erläuterung und zum Verständnis des neuesten
und wichtigsten diesbezüglichen Reichsgesetzes: sie soll den Geist
dieses Gesetzes und die Ziele, die es verfolgt, beleuchten !”.
Die erste, reichsgesetzliche Bestimmung, welche die Störung
der Sonntagsruhe mit Strafe bedroht, enthält $ 366 Ziff. 1
R.-St.-G.-B.
Hinsichtlich dieser Bestimmung ist nur zu bemerken: ein-
mal, dass sie sehr allgemein gehalten ist, und sich damit be-
gnügt, die Uebertretung der über Störung der Sonntagsfeier er-
lassenen Anordnungen — seien es landesgesetzliche oder bloss
® Schlussprotokoll der internationalen Arbeiterschutzkonferenz vom
29. März 1890 Ziff. 1a. Abgedruckt in Hırra's Annalen 1890.
® Schlussprotokoll Ziff. 1c.
10 Daneben sind auch die sog. Materialien zu beobachten, doch soll
man deren Bedeutung nicht überschätzen. Vgl. hierzu NEUKANP, Kommentar
zur Reichsgewerbeordnung 1892, Vorbemerkungen IV.
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