— 579 —
sprechung eine aus „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ hergeleitete
Rechtsprechung ein Gewohnheits-Juristenrecht schuf, ist unbe-
streitbar.
Man wandte gegen die Berechtigung zum Ersatze ein, dass
Privilegien an sich Bevorzugungen seien, deren Hingabe kein Opfer
bedeute, weil die Bevorzugung eben schon ungerecht gegenüber
Anderen sei. Dies ist vielleicht richtig, obgleich Privilegirungen
auch aus guten Gründen bestehen können, schlägt aber hier nicht
ein, da wir nicht an Opfer von Privilegien, sondern an Opfer
individueller Werthe im Allgemeinen denken.
Man gab ferner an, dass, wenn der Staat auf ein jus eminens
verzichte, das ihm im Nothfalle das Recht gäbe, sich ohne
Weiteres des Privateigenthums zu bemächtigen, auch das Korrelat
desselben, die Entschädigungspflicht, fortfalle. Seitdem der Staat
sich mit einer gesetzmässigen Verwaltung begnüge, gebe es kein
Recht, das dieser Rechtsausübung entgegengesetzt werden könne.
Der Staat habe nicht mehr vor dem Eigenthum Halt zu machen,
sondern das Eigenthum finde seine Schranken in der Staats-
gewalt.
Von der neueren Wissenschaft wird der Satz, dass allgemeine
Rechtsgrundsätze die Entschädigung von Aufopferungen geböten,
denn auch hier bejaht und dort verneint (AxscHütz 8. 25, 29).
Es kommt also noch in Betracht: Wie stellt sich die heutige
Praxis zu der Frage im Allgemeinen und zu der Spezialfrage im
Besonderen!
OTTO MAYER nimmt (9, 349) an, dass sich ein Gewohnheits-
Juristenrecht thatsächlich gebildet habe; die Juristenfakultät in
Jena habe unter dem 14. Juni 1874 „einen gewissen und un-
zweifelhaften Rechtssatz der Gegenwart“ für vorliegend erachtet,
das Obertribunal „einen Grundsatz des gemeinen Rechts“ (Str.-
Arch. Bd. XXXV S. 315), das Oberappellationsgericht Darm-
stadt habe analog geurtheilt „aus staatsrechtlichen Gesichts-
punkten“; das Reichsgericht findet nach gemeinem Rechte (Ur-