Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dreizehnter Band. (13)

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Uebersieht man ferner, dass die gesammte Disziplinarbefug- 
niss, von Warnung, durch Verweis und Geldstrafen, zur Entlassung, 
in den wenigen Worten des $1 des Gesetzes vom 7. Mai 1851: 
„Ein Richter, welcher: 
1. die Pflichten verletzt, welche ihm sein Amt auferlegt, 
oder 
2. sich durch sein Verhalten in oder ausser dem Amte 
der Achtung, des Ansehens oder des Vertrauens, die 
sein Beruf erfordert, unwürdig zeigt, 
unterliegt den Vorschriften dieses Gesetzes“, 
niedergelegt war, so kann nur der aufrichtigsten Loyalität der 
anwendenden Gerichte verdankt sein, dass nicht eine allgemeine 
Rechtsunsicherheit hereinbrach; einzelne Fälle, in denen das Er- 
messen diese Gesetzesworte zu Tageszwecken zu verwenden 
trachtete, verdienen demgegenüber mit Stillschweigen übergangen 
zu werden. 
Kein Gesetz sagt, welches die Pflichten sind, die dem Richter 
sein Amt auferlegt, namentlich welches darunter diese Pflichten 
sind, durch deren Verletzung er dem Gesetze verfällt. Kein Ge- 
setz sagt, durch welches Verhalten in oder ausser dem Amite er 
sich der berufsmässigen Achtung, Ansehens, Vertrauens unwürdig 
macht. Alle Entscheidung war dem Ermessen, und zwar dem 
Ermessen der Aufsichtsbehörden (Appellationsgerichte bezw. Ober- 
tribunal), anheimgegeben, nicht einmal in erster Instanz dem 
Kollegium des Gerichts, welchem der Beschuldigte angehörte, 
wenn dies Gericht ein Kreis- oder Stadtgericht war ($ 18 Ges, 
v. 7. Mai 1851), während die Mitglieder der Appellationsgerichte 
disziplinarisch doch wenigstens dem Urtheil ihres eigenen Gerichts, 
also der Richter unterstanden, welche ihren Lebensverhältnissen 
und dienstlichen Lage das Verständniss des Gleichgestellten ent- 
gegenbrachten. 
In diesem Zustande hat sich in Folge des Reichsgerichts- 
verfassungsgesetzes zweierlei geändert ($ 23 Ges. betr. die Ab- 
änderung der Disziplinargesetze, $ 78 Ausf.-G. zum R.-G.-V.-G.). 
Das Recht der Aufsicht steht nicht mehr Rechtsprechungs- 
stellen, sondern ausschliesslich dem Justizminister, dem Ober-
	        
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